Wer hat an der Uhr gedreht?
„Nun wollen wir aber eine Stunde früher aufstehen!“ Postkarte zur Einführung der Sommerzeit 1916. | © Abbildung: Deutsches Uhrenmuseum, Furtwangen 

Energieverbrauch und Biorhythmus

Mit der Ölpreiskrise von 1973 änderte sich das wieder. Die hohen Energiekosten veranlassten Frankreich als einziges Land in Europa die Sommerzeit erneut einzuführen, um Energie einzusparen. Doch zeigte sich schon damals, dass das bis heute oftmals mit der Einführung der Sommerzeit hartnäckig ins Feld geführte Argument des verantwortungsbewussten Umgangs mit den eigenen Ressourcen, sich als nur bedingt effizient herausstellte. Schätzungen aus dem Jahr 1974 ergaben, dass lediglich bis zu 2 Promille an Energie dadurch eingespart werden. Denn der Lebensrhythmus des modernen Menschen orientiert sich eher an den tatsächlichen Tages- und Nachtzeiten, als an der offiziell vorherrschenden Uhrzeit. Das bedeutet, dass nicht jeder automatisch dann früher zu Bett geht, insbesondere, wenn durch die flächendeckende Elektrifizierung und zahlreiche Unterhaltungsangebote, die Nacht auch mal gerne zum Tag gemacht wird. Im US-Bundesstaat Indiana ergab eine Untersuchung sogar einen im Schnitt höheren Energieverbrauch durch die Sommerzeit, da die erzielten Energieeinsparungen im Frühling durch den erhöhten Heizbedarf am frühen Morgen im einsetzenden Herbst sowie durch die intensivere Nutzung von Klimaanlagen während des Sommers, an denen man die Abende trotz allem länger genießt, nicht nur wettgemacht wurden, sondern der Verbrauch sich sogar um 1 Prozent gesteigert hat.

Dem vermeintlich einzusparenden Energiebedarf stehen aber auch andere Gründe zur Abschaffung der Zeitumstellung gegenüber. So wird durch die Zeitverschiebung der Biorhythmus bei vielen Menschen erheblich gestört, was zu unerwünschten Nebenwirkungen wie länger anhaltenden Schlafstörungen führen kann, die wiederum eine verminderte Produktivität zur Folge haben. Psychologische Studien zeigen zudem, dass sich daraus auch ernstzunehmende Hormonspiegelschwankungen ergeben können, die nicht nur über Tage, sondern über mehrere Monate hinweg bestehen und beeinträchtigen. Und was für den Menschen gilt, gilt auch für das Tier. So klagen seit jeher insbesondere die Landwirte über den Zeitwechsel, da dieser ebenso den Biorhythmus ihrer Nutztiere durcheinanderbringt. Dies führt vor allem beim Melken von Kühen zu Problemen, da sich deren natürliche Milchproduktion nicht über Nacht so mir nichts dir nichts umstellen lässt, so dass sich die Landwirte gezwungen sehen, ihre Kühe erst sukzessiv an die neue Zeit zu gewöhnen.

Dennoch wurde die Sommerzeit im Nachgang der Ölkrise bis zum Jahr 1981 in Europa wieder flächendeckend eingeführt und ihre Regelungen 1996 nochmals verbindlich auf europäischer Ebene festgeschrieben. Ziel war jedoch weniger die Optimierung des Energiehaushaltes, sondern vielmehr die Errichtung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes im Zuge der Entstehung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die Sonderregelungen einzelner Länder vermeiden wollte. 2018 hatte die EU-Kommission jedoch wieder die Abschaffung der Sommerzeit vorgeschlagen und das europäische Parlament hat dem zugestimmt. So hätte im Oktober 2021 letztmalig der Wechsel zur Winterzeit stattfinden sollen, aber die einzelnen Mitgliedsländer sind sich nach wie vor in dieser Sache uneins. Und so stellen auch wir in der kommenden Nacht zum Sonntag erneut die Uhren um eine Stunde vor. Und dies leider wieder in Zeiten eines Krieges in Europa.