Wasserstoff aus Ameisensäure
„Wo die energiereichen Teilchen des Sonnenlichts auf atomare Strukturen treffen, beginnt unsere Forschung“, sagt Cortés. | © Fotos: Thorsten Naeser

Wasserstoff aus Ameisensäure

Prof. Emiliano Cortés und sein Team vom Nanoinstitut der Ludwig-Maximilians-Universität haben einen Kristall entwickelt, der hocheffizient aus Ameisensäure und Sonnenlicht Wasserstoff produziert.

22. Dezember 2023 | von Thorsten Naeser / LMU

Wenn Emiliano Cortés auf die Jagd nach Sonnenlicht geht, nutzt er keine gigantischen Spiegel oder Solarparks. Im Gegenteil: Der Professor für Experimentalphysik und Energiekonversion an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) taucht in den Nanokosmos ab. „Wo die energiereichen Teilchen des Sonnenlichts auf atomare Strukturen treffen, beginnt unsere Forschung“, sagt Cortés. „Wir arbeiten an Materiallösungen, um Solarenergie effizienter zu nutzen.“ 

Die Energie der Sonne zu ernten ist noch immer nicht ganz einfach. „Das Sonnenlicht kommt auf der Erde ‚verdünnt‘ an. Die Energie pro Fläche ist vergleichsweise gering“ erklärt Cortés. Solaranlagen kompensieren das über große Flächen. Cortés nähert sich von der anderen Richtung: Mit seinem Team am Nano-Institut der LMU entwickelt er plasmonische Nanostrukturen, die Wasserstoff aus Ameisensäure mit Hilfe von Sonnenenergie produzieren.

Jetzt hat Emiliano Cortés gemeinsam mit Dr. Matías Herrán und Kooperationspartnern der Freien Universität Berlin und der Universität Hamburg einen zweidimensionalen Superkristall entwickelt. Er besteht aus nur einer einzigen Lage aus Nanopartikeln und erzeugt Wasserstoff aus Ameisensäure mithilfe von Sonnenlicht. Ameisensäure ist eine farblose, ätzende und in Wasser lösliche Flüssigkeit, die in der Natur vielfach von Lebewesen zu Verteidigungszwecken genutzt wird. Die Münchner Forscher haben den Stoff zweckentfremdet und mit ihrem Kristall kombiniert. „Die Kombination ist so herausragend, dass sie den Weltrekord hält, was die Wasserstoffproduktion mithilfe von Sonnenlicht betrifft“, sagt Cortés. „Unsere Experimente sind Machbarkeitsstudien und Ameisensäure ein Weltrekord-Material für die Nutzung der Sonnenenergie.“

Das Bild aus dem Transmissions-Elektronenmikroskop zeigt große goldene Nanopartikel, dazwischen die kleineren Platin-Teilchen für die Katalyse der Ameisensäure. (c) Dr. Florian Schulz, Universität Hamburg

Nano-Hotspots entfesseln Katalysekraft

Für ihren Superkristall nutzen Cortés und Herran zwei Metalle im Nanoformat. „Wir stellen zunächst aus Gold, einem plasmonischen Metall, Partikel von 10-200 Nanometern her“, erklärt Herrán. „In dieser Größenordnung interagiert das sichtbare Licht stark mit den Goldelektronen und veranlasst diese zu einer resonanten Schwingung.“ Dadurch fangen die Nanopartikel mehr Sonnenlicht ein und wandeln es in extrem energiereiche Elektronen um. „Es entstehen starke lokale elektrische Felder, so genannte Hotspots“, sagt Herrán.

Prof. Emiliano Cortés im Labor.

Die Hotspots bilden sich zwischen den Goldpartikeln aus. Das brachte Cortés und Herran auf die Idee, Nanopartikel aus Platin in die Zwischenräume zu platzieren. „In den Hotspots bringen wir sie dazu, Ameisensäure zu Wasserstoff umzusetzen“, erklärt Herrán. Mit einer Wasserstoffproduktionsrate – ausgehend von Ameisensäure – von 139 Millimol pro Stunde und pro Gramm Katalysator hält das photokatalytische Material derzeit den Weltrekord in Sachen Wasserstoff-Produktion mit Sonnenlicht.

Heutzutage wird Wasserstoff in erster Linie aus fossilen Rohstoffen, allen voran Erdgas, hergestellt. „Durch die Kombination aus plasmonischen und katalytischen Metallen bringen wir die Entwicklung potenter Photokatalysatoren für die Industrie voran, zum Beispiel die Umwandlung von CO2 in nutzbare Substanzen“, erklären Cortés und Herrán.

 

Originalpublikation:

Matías Herrán, Sabrina Juergensen, Moritz Kessens, Dominik Hoeing, Andrea Köppen, Ana Sousa-Castillo, Wolfgang J. Parak, Holger Lange, Stephanie Reich, Florian Schulz, Emiliano Cortés

Plasmonic Bimetallic Two-Dimensional Supercrystals for H2 Generation

Nature Catalysis, 2023.

DOI: 10.1038/s41929-023-01053-9