Warnsignale aus dem Meer
Die Garnele Sclerocrangon zenkevitchi ist eine von vielen bodenlebenden Arten im Nordwestpazifik, die sich auf veränderte Umweltbedingungen einstellen muss. | © Foto: Anna Lavrentjeva

Warnsignale aus dem Meer

4. Mai 2022 | von Susanna Fischerauer

Neuigkeiten aus den Tiefen des Ozeans: Insgesamt 18.668 Verbreitungsdaten bodenlebender Meerestiere haben Wissenschaftler:innen des Senckenberg-Forschungsinstituts und Naturmuseen ausgewertet und dabei herausgefunden, dass der wichtigste Faktor für viele Artengemeinschaften die Wassertiefe ist. In einer Studie im Fachjournal „Frontiers in Marine Science“ konnten sie außerdem nachweisen, dass weiterhin bekannte Faktoren wie Wassertemperatur, Silikatgehalt, Licht und Strömungen eine entscheidende Rolle für Muster von Gemeinschaftszusammensetzungen spielen. Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Meilenstein um zu verstehen, wie Artengemeinschaften auf Umweltveränderungen reagieren könnten. Die Forschenden halten dazu an, den Fokus mehr auf die Unterschiede zwischen den am Meeresboden lebenden Gemeinschaften bei der Reaktion auf künftige Klima- und Umweltveränderungen zu richten.

Vor etwa 252 Millionen Jahren ereignet sich das größte Massenaussterben der Erdgeschichte: Innerhalb weniger tausend Jahre verschwanden damals rund 95 Prozent des Lebens im Ozean. Diese Phase markiert das Ende des Erdzeitalters Perm und den Beginn der Trias-Epoche. Hauptauslöser für das Ereignis waren die Erderwärmung und die durch den CO2-Anstieg begünstigte Ozeanversauerung. Für die Meeresfauna bedeutete dies den Tod. Und es gibt erneut Warnsignale aus dem Meer - „In Anbetracht der vielen marinen Arten, die in den letzten Jahrhunderten und Jahrtausenden ausgestorben sind sowie der Vorhersagen über ein mögliches zukünftiges Artensterben als Folge der globalen Erwärmung, ist aktuell möglicherweise ein weiteres Massenaussterben in den Meeren im Gange“, gibt Dr. Hanieh Saeedi, Erstautorin der Studie vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, zu bedenken.

Die bodenlebende Meerestiere wurden zu Forschungszwecken in einer Tiefe von bis zu fast 11.000 Metern gefangen. Foto: Komatsu & Komai



Für die Stichproben ging es tief unter die Meeresdecke: Bis zu 10.900 Meter hat das Forschungsteam rund um Saeedi eine grundlegende Bewertung des Biodiversitätsstatus und der Gemeinschaftszusammensetzung der Flachwasser- und Tiefseefauna entlang des Nordwestpazifiks und des Arktischen Ozeans vorgenommen. „Uns hat insbesondere interessiert, welche Umweltfaktoren die Zusammensetzung am Meeresboden lebender Organismen beeinflussen“, so Saeedi. Anhand der Daten konnte das Team einen Trend zu abnehmendem Artenreichtum in höheren Breiten und tieferen Gewässern feststellen, der in den Küstengewässern der östlichen Philippinen einen Höhepunkt erreicht. „Erstaunlicherweise ist der Hauptfaktor für die Zusammensetzung der meisten Faunengemeinschaften im Nordwestpazifik und den angrenzenden arktischen Meeren die Tiefe und nicht die Temperatur“, erklärt Saeedi.

Das Forschungsteam schlussfolgert aus den gewonnenen Erkenntnissen, dass viele am Boden lebende Organismen aufgrund ihrer verschiedenen Merkmale sehr unterschiedlich auf künftige klimatische Veränderungen reagieren. Internationale Schutzbemühungen und die Erhaltung von Lebensräumen sollten daher Maßnahmen anwenden, welche die Unterschiede zwischen den am Boden lebende Organismen bei der Reaktion auf künftige Klimaveränderungen berücksichtigen. „Dies wird die Umsetzung geeigneter Schutzmanagementstrategien und die nachhaltige Nutzung der marinen Ökosysteme im Nordwestpazifik und in der Arktis erleichtern – auch um einem Massenaussterben wie an der Perm-Trias-Grenze zuvorzukommen“, schließt Saeedi.