Treibstoff aus Blättern
Forscher der Universität Cambridge haben schwimmende Blätter entwickelt, die aus Sonnenlicht und Wasser saubere Kraftstoffe erzeugen. | © Fotos: Virgil Andrei

Treibstoff aus Blättern

9. September 2022 | von Thorsten Naeser

Forscher der Universität Cambridge haben schwimmende Blätter entwickelt, die aus Sonnenlicht und Wasser saubere Kraftstoffe erzeugen und vielleicht in größerem Maßstab im Meer eingesetzt werden könnten.

Ein kleiner Fluss in Cambridge hatte die Ehre, einem Forscherteam der dort ansässigen Universität als Freiluft-Testlabor zu dienen. Auf dem Fluss ließen die Wissenschaftler kleine künstliche Blätter schwimmen, die Energie aus dem Wasser und dem Sonnenlicht lieferten.

Ein innovatives Energiebündel treibt auf dem Wasser.

Schon seit mehreren Jahren arbeitet die Forschungsgruppe um Prof. Erwin Reisner am Department für Chemie an der Uni Cambridge an alternativen Lösungen für Benzin, die auf den Prinzipien der Photosynthese beruhen. Bereits im Jahr 2019 haben sie ein künstliches Blatt entwickelt, das aus Sonnenlicht, Kohlendioxid und Wasser Synthesegas - ein wichtiges Zwischenprodukt für die Herstellung vieler Chemikalien und Arzneimittel - produziert. Dieser Prototyp erzeugte Kraftstoff durch die Kombination von zwei Lichtabsorbern mit Katalysatoren. Er enthielt jedoch dicke Glassubstrate und feuchtigkeitsschützende Beschichtungen, die das Gerät unhandlich machten.

Ein Lichtabsorber aus der Nähe betrachtet.

Nun haben die Forscher das Problem behoben. Sie haben die Lichtabsorber auf leichtere Substrate aufgebracht. Das Ergebnis: Ultradünne, flexible Energielieferanten, die von der Photosynthese inspiriert sind. Jetzt sind die kostengünstigen, autonomen Blätter leicht genug, um zu schwimmen und gleichzeitig Energie zu erzeugen. Einen Prototyp dieser Brennstoff-Produzenten haben die Wissenschaftler gleich vor Ort getestet.

Die Module bestehen aus einer Polymer-Unterlage, auf der zwei lichtabsorbierende Photoelektroden aus Perowskit und dem Wismut-Vanadium-Oxid mit organischen Halbleitern kombiniert wurden. Der Aufbau wird durch Katalysatoren und eine Schicht Kohlenstoffnanoröhrchen ergänzt. Daraus entsteht ein flaches, flexibles Modul, das das Sonnenlicht als Energiequelle für eine elektrochemische Reaktion nutzt. Diese spaltet Wasser und CO2. Dabei produziert es, je nach Katalysator, Wasserstoff oder aber ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff – das so genannte Synthesegas.

Erstmals wurde so sauberer Treibstoff direkt aus dem Wasser erzeugt. Das könnte ein Meilenstein in der Energieversorgung sein und vor allem dem maritimen Transportgeschäft zu Gute kommen. Während Technologien für erneuerbare Energien, wie Wind- und Solarenergie, deutlich billiger geworden sind, ist die umweltfreundliche Energieversorgung, auf dem Meer kaum ein Thema. Rund 80 Prozent des Welthandels werden von Frachtschiffen transportiert, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Dennoch hat dieser Sektor in den Diskussionen um die Klimakrise relativ wenig Aufmerksamkeit erhalten. Hier könnte die neue Produktionsmethode für Treibstoff zum Einsatz kommen, hoffen die Forscher.

Eine hoffentlich bald schon serienreife ökologische Energiequelle.

Bis zur Marktreife sind noch Verbesserungen notwendig. Doch eröffnen die neuen Ergebnisse Perspektiven für den industriellen Einsatz, meinen die Forscher. Könnte man die künstlichen Blätter in größeren Dimensionen konzipieren, würden sie auf verschmutzten Wasserstraßen, in Häfen oder auf hoher See dazu beitragen, die Abhängigkeit der weltweiten Schifffahrtsindustrie von fossilen Brennstoffen zu verringern. Dazu müsste man im Stile von Solarfarmen die künstlichen Blätter im Meer ausbreiten. „Solarfarmen sind für die Stromerzeugung populär geworden. Wir stellen uns ähnliche Farmen für die Kraftstoffsynthese vor“, sagt Andrei. Damit könnten Küstensiedlungen und abgelegene Inseln versorgt, Industrieteiche abgedeckt oder die Verdunstung von Wasser aus Bewässerungskanälen verhindern werden, schlagen die Forscher vor. „Viele Technologien für erneuerbare Energien, darunter auch die Solartreibstofftechnologie, benötigen viel Platz an Land, so dass die Verlagerung der Produktion auf offene Gewässer bedeuten würde, dass saubere Energie und Landnutzung nicht miteinander konkurrieren“, so Andrei weiter.

 

Originalpublikation:

Virgil Andrei et al.

Floating perovskite-BiVO4 devices for scalable solar fuel production

Nature (2022).

DOI: 10.1038/s41586-022-04978-6