Sonnenkult in den Alpen
ie Bewohner der Alpen haben wohl schon vor rund 3000 Jahren die Sonne verehrt. Das bestätigt ein außergewöhnlicher Fund, den Archäologen um Dr. Michał Sip von der Uni Wien gemacht haben. Bei Ausgrabungsarbeiten in einer Kultstätte bei Ebreichsdorf in Österreich, fanden sie eine Goldschale mit einem Sonnenmotiv aus der Urnenfelderkultur. Bisher gibt es kaum Hinweise darauf, dass die Menschen in den Alpen damals einen Sonnenkult betrieben.
Der polnische Archäologe Dr. Michał Sip von der Universität Wien hat wohl die Entdeckung seines Lebens gemacht. Bei Ausgrabungen einer prähistorischen Kultstätte im österreichischen Ebreichsdorf fanden er und sein Team eine seltene Goldschale mit einem Sonnenmotiv. „Ich habe auf mehreren Kontinenten gearbeitet, auch in Ägypten oder Guatemala, aber ich habe noch nie etwas Vergleichbares gefunden“, freut sich Michał Sip. „Das ist der erste Fund dieser Art in Österreich und erst der zweite östlich der Alpenlinie.“
Die Goldschale ist rund fünf Zentimeter hoch und hat einen Durchmesser von 20 Zentimeter. Sie besteht zu etwa 90 Prozent aus Gold, fünf Prozent aus Silber und fünf Prozent aus Kupfer. In ihrem Inneren fanden die Forscher zudem zwei Goldarmbänder aus gewundenem Draht.
In Mitteleuropa wurden bisher nur eine Handvoll Gefäße dieses Typs in Spanien, Frankreich oder der Schweiz entdeckt. „Mehr sind aus Norddeutschland, Skandinavien und Dänemark bekannt, weil sie dort hergestellt wurden“, erklärt der Archäologe. Nach seinen Schätzungen sind in Europa nur etwa dreißig solcher Schalen bekannt.
Das Archäologenteam um Dr. Michal Sip fand in Ebreichsdorf noch weitere goldene Schmuckstücke wie diese, ineinander verschlungenen Ringe.
Zwischen 1300 und 1000 v. Chr. war die Siedlung im heutigen Ebreichsdorf von einer Gemeinschaft bewohnt, die als Urnenfelderkultur bezeichnet wird. Der Name kommt von dem Brauch, die Toten einzuäschern und ihre Asche in Urnen zu legen. Es war die mittlere und späte Bronzezeit. Die Menschen lebten vom Ackerbau und Viehzucht. Die Archäologen vermuten, dass die Siedlung bei Ebreichsdorf an einem Sumpf lag. Die Bronzegegenstände wurden wahrscheinlich bei religiösen Ritualen ins Wasser geworfen.
Zur Urnenfelderzeit war der Sonnenkult schon weit verbreitet. Davon zeugen spektakuläre Funde wie der Sonnenwagen von Trundholm, die Himmelsscheibe von Nebra oder Sonnenmotive auf Schmuckstücken und Kultobjekten. Die Sonnen-Darstellungen dienten nicht nur für religiöse Weltanschauungen und rituelle Praktiken, sondern auch schon ganz profan als Zeitmesser für den Alltag. Ein ausgeprägter Sonnenkult entwickelte sich jedoch vor allem in Skandinavien, dort wo die Winter lang und dunkel waren, Der Fund in Niederösterreich zeigt nun, dass Kultobjekte mit Sonnenmotiven auch im bronzezeitlichen Alpenraum genutzt und womöglich sogar aus den nordischen Ländern importiert wurden.