Raserei im Perowskit
ie sich Elektronen in Perowskit, einem neuartigen Solarzellen-Material, bewegen haben Physikerinnen und Physiker von der Universität Regensburg und der Universität Oxford erkundet. Die Ergebnisse liefern Einsichten, wie das Material effizient für Photovoltaik genutzt werden kann.
Wenn es um neue Methoden der Energiegewinnung geht, sind Metall-Halogenid-Perowskite vielversprechende Hoffnungsträger. Diese neuartigen Solarzellen erreichten innerhalb kürzester Zeit nach ihrer Entdeckung Wirkungsgrade, die mit kommerziellen Silizium-Solarzellen vergleichbar sind. Darüber hinaus haben Perowskit-Solarzellen weitere Vorteile: Die Herstellungs- und Energiekosten sind verglichen mit der etablierten Silizium-Technologie gering, da sie durch kostengünstige Beschichtungsverfahren produziert werden. Außerdem sind die Newcomer in der Photovoltaik flexibel und leicht, was ihren Einsatz auf verschiedensten Oberflächen ermöglicht – von tragbarer Elektronik bis hin zu innovativen Gebäudefassaden.
Doch wie funktioniert so eine Solarzelle eigentlich? Das Sonnenlicht wird in der Solarzelle absorbiert. Dabei geben die Photonen ihre Energie an Elektronen ab, die dadurch auf höherenergetische Bahnen gehoben werden, wo sie sich freier bewegen können. Diese werden an geeigneten elektrischen Kontakten extrahiert und so in nutzbare elektrische Energie umgewandelt. Die Effizienz einer Solarzelle hängt davon ab, wie leicht sich diese kurzlebigen Ladungsträger durch das Material bewegen, um die Kontakte zu erreichen, ehe sie wieder zerfallen. Um Solarzellen gezielt zu optimieren, ist es also wichtig, genau zu verstehen, wie der Transport abläuft, welche Wege die Elektronen nehmen und wodurch die Bewegung eingeschränkt wird.
Das ist Forscherinnen und Forschern an der Uni Regensburg um Prof. Dr. Rupert Huber nun mit einem neuartigen ultraschnellen Mikroskop gelungen. Das Team erzeugte freie Elektronen und verfolgte deren Diffusion auf ultrakurzen Zeitskalen. Das stellte bei Perowskit-Solarzellen bisher eine Herausforderung dar, da diese nicht homogen sind, sondern aus vielen kleinen Körnern bestehen, die nur Hunderte Nanometer – der milliardste Bruchteil eines Meters – groß sind. Gleichzeitig sind diese Nanokristalle nicht identisch, sondern können bei Raumtemperatur in einer von zwei unterschiedlichen atomaren Strukturen vorkommen, von denen nur eine zur Nutzung in Solarzellen geeignet ist.
Es ist also wichtig, genau zu wissen, wo man sich auf der Probe befindet und welcher kristalline Aufbau untersucht wird. Daher verwendeten die Forschenden ein Mikroskop, mit dem sie die Position ihrer Messung auf Nanometer genau kontrollieren und gleichzeitig mithilfe optischer Methoden extrahieren können, ob sie gerade auf einem Kristallit mit dem richtigen atomaren Aufbau sitzen. „Wir bringen die Atome in den Nanokristalliten zum Schwingen. Dies hinterlässt, abhängig von der Anordnung der Atome, eindeutige Signaturen im gestreuten Licht. Damit können wir genau rückschließen, wie die Atome in den jeweiligen Kristalliten angeordnet sind“, erklärt Martin Zizlsperger, Erstautor der Studie.
Nachdem das Team die Form und Kristallstruktur der Nanofelsen kannte, beleuchtete es die Probe mit einem kurzen Lichtimpuls, der, ähnlich wie die Sonne, Elektronen in bewegliche Zustände anregte. Die folgende Bewegung der Ladungen konnten die Forschenden daraufhin mit einem zweiten Laserpuls ausmessen. „Vereinfacht gesprochen, wirken die Ladungen wie ein Spiegel. Wenn sich die Ladungen nun z.B. nach unten weg von unserem Messpunkt bewegen, dann wird der zweite Laserpuls später reflektiert. Aus diesem winzigen Zeitversatz von nur wenigen Femtosekunden konnte das Team die genaue Bewegung der Ladungen rekonstruieren. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstele Sekunde, 10-15 s.
Dadurch gelang es, zuzuschauen, wie sich die angeregten Elektronen durch das Labyrinth aus verschiedenen Kristalliten bewegen. Insbesondere untersuchten die Forschenden auch die technisch besonders relevante Bewegung nach der Anregung in die Solarzelle hinein. Die Ergebnisse waren überraschend: Obwohl das Material aus vielen unterschiedlichen Nanokristallen besteht, ist der vertikale Ladungstransport auf der Nanometer-Längenskala unbeeinflusst von Unregelmäßigkeiten in der genauen Form der Nanokristallite – ein möglicher Grund für den Erfolg von Perowskit-Solarzellen. Als die Forschenden großflächigere Regionen auf der Skala mehrerer hundert Mikrometer untersuchten, zeigte sich, dass einige Regionen effizienter im Ladungstransport sind als andere.
Die lokalen Hotspots könnten für die Entwicklung neuer Solarzellen von großer Bedeutung sein. Die Messmethode gibt Einblick in die Verteilung und Effizienz der einzelnen Regionen und ist ein wichtiger Schritt zur weiteren Verbesserung von Perowskit-Solarzellen. „Unsere Methode erlaubt, das komplexe Zusammenspiel zwischen Ladungstransport, Kristallkonfiguration und der Form der Kristallite auf der Nanoskala zu beobachten. Damit kann sie genutzt werden, um Perowskit-Solarzellen gezielt weiter zu verbessern“, erklärt Prof. Huber. Die neuartige Messmethode ist nicht nur auf moderne Solarzellen beschränkt. Denn das Wechselspiel zwischen Struktur und Ladungstransport ist für eine Vielzahl moderner Anwendungen von Bedeutung. So könnte der Durchbruch auch für die Entwicklung von ultimativ kleinen und schnellen Transistoren sowie für die Erklärung eines der größten Rätsel der Festkörperphysik, der Hochtemperatur-Supraleitung, eine Hilfe sein.
Originalpublikation:
Martin Zizlsperger et al.
In situ nanoscopy of single-grain nanomorphology and ultrafast carrier dynamics in metal halide perovskites
Nature Photonics (2024).