„Ich möchte verstehen, wie sich Ladungsträger an Grenzflächen verhalten“
Der junge Oldenburger Physiker Dr. Jan Vogelsang ist unlängst in das renommierte Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen worden und baut nun seine eigene Nachwuchsforschungsgruppe auf.

„Ich möchte verstehen, wie sich Ladungsträger an Grenzflächen verhalten“

6. Dezember 2021 | von Dr. Jan Vogelsang im Gespräch mit Thorsten Naeser

Die Umwandlung von elektrischer Energie in Licht – und umgekehrt die Umwandlung von Licht in Solarstrom – kommt ohne optoelektronische Bauelemente nicht aus. Sie sind die Schnittstelle zwischen elektrischen und optischen Komponenten. Und sie werden immer kleiner. Mit den Prozessen, die in solchen Bauteilen ablaufen, befasst sich der Oldenburger Physiker Dr. Jan Vogelsang: Der junge Forscher arbeitet daran, die physikalischen Mechanismen im Nanobereich sichtbar zu machen. Jetzt ist er in das renommierte Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen worden und baut seine eigene Nachwuchsforschungsgruppe auf. Mit seinem Projekt „Attosekunden-Ladungsträgerdynamik an nanoskaligen Grenzflächen“ macht er Prozesse sichtbar, die zu klein sind und zu schnell ablaufen, um für das menschliche Auge erkennbar zu sein.

Gratulation zur Aufnahme in das Emmy-Noether-Programm. Sie sind Attosekundenphysiker. Wie wird man Ultrakurzzeitphysiker?

Vielen Dank! Ich denke dazu gehört ein gewisser Entdeckerdrang, also das Interesse, neue Bereiche zu erkunden. Das können wir auf großen Skalen tun und den Weltraum erforschen. Entweder von der Erde aus über die Beobachtung des Universums mit Teleskopen oder auch durch Erkundungen vor Ort, beispielsweise mit Rovern auf dem Mars. Aber auch auf unserer Erde selbst gibt es noch viele unerforschte Bereiche, die Tiefsee ist hier ein Beispiel. Letztlich genügt es aber, die Teleskope der Weltraumforschung gegen Mikroskope der Nanoforschung zu tauschen, um überall in unserer direkten Umgebung Neues zu entdecken. Dies erlaubt es, Neuentdeckungen direkt vor Ort im Forschungslabor zu machen. Auch wenn wir glauben, vieles schon gut verstanden zu haben, so zeigt die Erfahrung doch, dass man spannende Entdeckungen macht, wenn man noch etwas genauer hinschaut, die Beobachtungen diskutiert und mit Modellen vergleicht. Hier ist man jedoch schnell an dem Punkt, an dem es nicht reicht, Nanophysikerin oder Nanophysiker zu sein: Auf der Nanoskala geschehen Prozesse so schnell, dass man „ultraschnell“ hinschauen muss, um die Dynamiken sichtbar zu machen. Dafür ist allerlei Handwerkszeug notwendig, welches ich in Oldenburg, in München an der LMU, in Garching am MPQ und in Lund erworben habe.

Welche Prozesse interessieren Sie in der Ultrakurzzeitphysik besonders?

Ich möchte insbesondere besser verstehen, wie sich Ladungsträger in heterogenen Strukturen, wie etwa in Nanopartikeln, oder an Grenzflächen verschiedener Materialien, verhalten, wenn sie mit optischen Feldern wechselwirken. Diese Dynamiken sichtbar zu machen, verspricht ganz neue Möglichkeiten der Ladungsträgerkontrolle auf der Nanoskala: Einerseits durch Anpassung der Nanostrukturen, andererseits durch Modifizierung der optischen Felder.

Wie muss man sich technisch die Umwandlung von elektrischer Energie in Licht und anders herum vorstellen?

Eine interessante Frage: Eigentlich wird dabei nicht wirklich etwas umgewandelt, weshalb dies auch so effizient möglich ist. Die elektrische Energie wird letztlich in Form von elektrischen Feldern gespeichert. Licht ist aber nichts anderes, als eine besondere Form eines solchen Feldes. Die Umwandlung erfolgt dadurch, dass Ladungsträger elektrische Energie an Grenzflächen in der Form eines wohldefinierten Energiepakets abgeben, was wir als Licht (ein Photon) wahrnehmen. Dieser Prozess funktioniert in der gleichen Form auch in umgekehrter Reihenfolge.

Wie laufen Ihre Attosekunden-Experimente im Nanobereich ab?

Optische Experimente liefern heute die beste Zeitauflösung, Elektronenmikroskope mit die beste räumliche Auflösung. Es liegt nahe, diese beiden Techniken zu kombinieren. Hierzu führen wir zeitlich hochaufgelöste Experimente durch, an deren Ende die Photoemission von Elektronen aus der untersuchten Nanostruktur steht. Wir verwenden im unmittelbaren Anschluss ein Elektronenmikroskop, das diese Elektronen nach der Emission räumlich hochaufgelöst abbildet. Bei dieser Technik erhält man raumzeitlich hochaufgelöste Videos der Dynamiken auf der Probe, auch wenn die beiden Experimentteile streng genommen nacheinander stattfinden. Gerade das macht diese Technik aber so interessant, da sie es nicht erfordert, bei der Zeitauflösung Kompromisse einzugehen. Sie entschärft die oft nötige Abwägung zwischen zeitlicher und räumlicher Auflösung, da beide Teile technisch nur über die Photoemission von Elektronen verbunden sind.

Was genau wollen Sie mit ihrem Emmy Noether Projekt „Attosekunden-Ladungsträgerdynamik an nanoskaligen Grenzflächen“ erkunden?

Ich möchte gerne sichtbar machen, wie sich Ladungsträger unter der Einwirkung eines optischen Feldes in Nanostrukturen innerhalb weniger Femtosekunden verhalten. Es geht darum, zu verstehen, wie wir beispielsweise neuartige Solarzellmaterialien formen müssen, um eine effiziente Ladungstrennung zu erreichen. Hierfür ist ein fundamentales Verständnis der Erzeugung freier Ladungsträger in räumlich stark inhomogenen Strukturen notwendig. Wir werden dies an einigen Beispielsystemen wie Nanopartikeln und 2D-Materialien untersuchen, während wir die dafür notwendige Technologie der zeitaufgelösten Mikroskopie kontinuierlich weiterentwickeln.

Wo sehen Sie die Ultrakurzzeitphysik in zehn Jahren?

Die letzten Monate und Jahre haben uns allen vor Augen geführt, dass Vorhersagen über noch deutlich kürzere Zeiträume bereits sehr schwierig sein können. Entsprechend möchte ich das nur ungern versuchen. Ich bin jedoch überzeugt, dass es noch viele Überraschungen zu entdecken gibt und die Ultrakurzzeitphysik bestens aufgestellt ist, um wichtige Beiträge hierzu zu liefern.