Geheimnisvolle Lagune
Geformt haben diese unwirkliche Landschaft Cyanobakterien. Diese Algen produzieren so genannte Stromatolithe. Das sind feinschichtige, meist kalkige Sedimentgesteine, die wie Knollen, Säulen oder welligen Lagen aussehen. | © Fotos: Brian Hynek

Geheimnisvolle Lagune

1. März 2024 | von Thorsten Naeser

Es gibt noch immer Orte auf der Erde, die Geheimnisse bewahrt haben. Einen dieser Orte haben jetzt der amerikanische Geologe Brian Hynek und sein Team erkundet. Im Nordwesten Argentiniens stießen sie auf eine überwältigende Überraschung: Ein Netz aus Lagunen mitten in der Atacama Wüste. In ihrem kristallklaren Wasser fanden die Geowissenschaftler riesige grüne Hügel, die etwa fünf Meter breit und mehrere Fuß hoch sind. Die Forscher waren auf archaische Stromatolithen gestoßen. Eine Formenvielfalt wie sie die Geowissenschaftler zuvor noch nie gesehen hatten.

Im Laufe seiner Karriere bereiste Brain Hynek einige der extremsten Umgebungen auf der Erde: Er wollte verstehen, wie Leben auf fremden Planeten und Monden gedeihen könnte. Der Geologe hatte den höchsten aktiven Vulkan der Welt, den Ojos del Salado an der Grenze zwischen Argentinien und Chile, bestiegen und war in die Antarktis gereist, um nach Meteoriten zu suchen. Aber so etwas wie die Lagunenlandschaft tief in der Atacama-Wüste Argentiniens, hatte er zuvor noch nie gesehen. Gut versteckt erstreckt zwischen hohen Bergen erstreckt sich dort ein Netz aus zwölf Lagunen über rund 25 Hektar.

Geformt haben diese unwirkliche Landschaft Cyanobakterien. Diese Algen produzieren so genannte Stromatolithe. Das sind feinschichtige, meist kalkige Sedimentgesteine, die wie Knollen, Säulen oder welligen Lagen aussehen. Stroamtholithe gibt es schon seit Jahrmillionen auf der Erde. Doch im Erdaltertum sahen sie etwas anders aus als heute. Die Hügel im Wasser der Atacama-Lagunen sehen einigen dieser archäischen Stromatholiten sehr viel ähnlicher als jene, die man heute auf der Erde vorfindet.

Ihre Gesteinsschichten bestehen hauptsächlich aus Gips. Das Mineral kam in vielen fossilen Stromatolithen vor, aber es fehlt in fast allen heutigen Stromatolithen. Biologisch gesehen bestanden die Ur-Stromatolithe aus einer äußeren Schicht mit photosynthetischen Mikroben, den so genannten Cyanobakterien, und einem rosafarbenen Kern, der reich an Archaeen war. Archaeen sind einzellige Organismen, die häufig in extremen Umgebungen auf der Erde vorkommen. „Wir glauben, dass diese Hügel tatsächlich aus den Mikroben wachsen, wie es auch bei den ältesten Stromatolithenformen auf der Erde der Fall war“, so Brian Hynek.

Warum sich die archaischen Urformen an diesem rauen Ort gebildet haben, ist nicht klar. Die Umgebung der Lagune könnte den Bedingungen auf der alten Erde ähneln, so Hynek. Das Wasser ist salzig und sauer und aufgrund der Höhenlage einer starken Sonneneinstrahlung ausgesetzt.

Die ungewöhnlichen Gesteinsformationen könnten den Wissenschaftlern einen Einblick in die Entstehung von Leben auf dem Mars geben, der der Erde vor Milliarden von Jahren ähnelte. „Wenn sich das Leben auf dem Mars jemals bis zur Ebene der Fossilien entwickelt hat, dürfte es so ausgesehen haben“, sagte Hynek. „Das Verständnis dieser modernen Lebensgemeinschaften auf der Erde könnte uns Aufschluss darüber geben, wonach wir bei der Suche nach ähnlichen Merkmalen in den Gesteinen des Mars suchen sollten.“ Hynek und sein Team wollen nun erkunden, wie es den Mikroben gelingt, die rauen Bedingungen zu überleben.

Den Wissenschaftlern läuft jedoch die Zeit davon. Ein Unternehmen hat das Gebiet bereits gepachtet, um dort Lithium abzubauen. Sobald die Bohrungen beginnen, könnten die Atacama-Lagunen unwiederbringlich zerstört werden. „Das einzigartige Ökosystem könnte innerhalb weniger Jahre verschwunden sein“, so Hynek. „Wir hoffen, dass wir einige dieser Gebiete schützen oder zumindest detailliert beschreiben können, bevor sie für immer verloren sind.“

Internet: www.colorado.edu/geologicalsciences/brian-hynek