Durch Laserlicht im Gleichtakt
Physiker um Jian-Wei Pan von der „University of Science and Technology of China“ in Hefei haben optische Uhren über die Rekordentfernung von 113 Kilometern mit Lasern synchronisiert. | © Jian-Wei Pan / University of Science and Technology of China

Durch Laserlicht im Gleichtakt

Physiker um Jian-Wei Pan von der „University of Science and Technology of China“ in Hefei haben optische Uhren über die Rekordentfernung von 113 Kilometern mit Lasern synchronisiert. Geholfen hat dabei die Frequenzkammtechnologie von Prof. Theodor Hänsch.

13. Januar 2023 | von Thorsten Naeser

Die Zeit ist ein flüchtiges Gut. Manchmal scheint sie einem zu entkommen, manchmal kann sie gar nicht schnell genug vorbeiziehen. Zeit ist schwer zu fassen und noch schwerer zu synchronisieren. Besonders dann, wenn man dazu weite Strecken überwinden muss. Bei der Synchronisation von Uhren über große Entfernungen könnte Lasertechnologie eine entscheidende Rolle spielen. Einen wichtigen Meilenstein dafür hat nun ein Team um den Physiker Jian-Wei Pan von der University of Science and Technology of China in Hefei gelegt. In der chinesischen Provinz Xinjiang ist es den Forschern gelungen, das Ticken zweier Uhren mit Hilfe von Laserpulsen über eine Entfernung von 113 Kilometern in Luft zu synchronisieren. Das ist das Siebenfache des bisherigen Rekords von 16 Kilometern.

„Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“. So einfach kann es sein, wenn man den Zeitspezialisten Albert Einstein fragte, wie er Zeit definiert. Doch sehen wir alle die gleiche Zeit, wenn wir auf unsere Uhren blicken? Das ist eher unwahrscheinlich. Denn die exakte Synchronisation von Uhren ist alles andere als trivial. Die große Frage ist: Wie bekommt man Uhren über große Distanzen und räumliche Unwägbarkeiten so exakt in den Gleichtakt, dass man damit unsere Technologien zur Kommunikation, Datenübertragung oder Navigation verlässlich betreiben kann? Und: Wie vernetze ich die exaktesten Uhren global, ohne sie aus dem Gleichtakt zu bringen?

Netzwerke optischer Uhren finden Anwendung etwa in der präzisen Navigation, bei der Neudefinition der Grundeinheit „Sekunde“ oder bei Gravitationsmessungen. Anstatt eines Mikrowellen-Übergangs wie in einer Cäsium-Atomuhr nutzen optische Uhren das 100.000 Mal schnellere Ticken eines optischen Übergangs in Elementen wie Strontium und Ytterbium. Die Zeit wird dadurch in noch kleinere Bruchteile zerlegt. Moderne optischen Uhren erreichen daher eine Frequenzinstabilität von 10-19. Um solche Uhren zu vernetzen, benötigt man ebenso hochfrequente Strahlung zur Übertragung der Zeitinformationen. Hier kommt das Licht mit seinen Frequenzen im Bereich von einigen 100 THz ins Spiel. Über Faserlinks lassen sich Distanzen von vielen 100 km überwinden. Doch die optische Übertragung von solchen Daten durch die Luft steckt noch in den Kinderschuhen.

Jian-Wei Pan und sein Team vom Hafei National Research Center for Physical Sciences at the Microscale and School of Physical Sciences an der University of Science and Technology of China, haben es nun geschafft, mit Hilfe von Laserpulsen zwei optische Uhren über eine Distanz von 113 Kilometern in Luft mit Laserpulsen zu synchronisieren. Die Rekorddistanz übertrifft den früheren Wert um fast 100 Kilometer.

Die Übertragung von optischen Signalen bei nahinfraroter Wellenlänge durch die Luft ist weniger effizient als beispielsweise die Übertragung von langwelliger Infrarotstrahlung oder Radiowellen, da Moleküle in der Luft das Licht absorbieren oder streuen. Das verringert die Stärke des ankommenden Signals. Um optische Uhren zu vergleichen, haben sich Physiker bisher meist der Übertragung von optischen Signalen über Glasfaserkabel bedient. Will man jedoch ein globales Netzwerk optischer Uhren schaffen, stößt diese Methode schnell an ihre Grenzen.

Pans Team gelang es, die ultrastabilen Signale im Nahinfraroten so zu verstärken, dass die Stabilität selbst bei den hohen Verlusten in der Atmosphäre erhalten blieb. Zur Erzeugung ihres Signals verwendeten die Forscher optische Frequenzkämme. Diese Technologie wurde von Prof. Theodor Hänsch und seinem Team am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität entwickelt und 2005 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Heute gibt es kommerzielle Systeme, die von der Firma Menlo Systems produziert werden. „Zur Überwindung der hohen Verluste in der Freistrahl-Verbindung haben wir selbstgebaute zweistufige Hochleistungs-Erbium-dotierte Faserverstärker (EDFAs) direkt hinter die Ausgangsports der Kamm-Oszillatoren geschaltet. Die zuvor auf 20 Nanometer Bandbreite gefilterte optische Leistung konnte so auf 1 Watt erhöht werden“, so Pan weiter. „Das war eine der wesentlichen Techniken, die in dieser Arbeit entwickelt wurden, um den Erfolg dieses Experiments zu gewährleisten“. Dazu haben die Forscher die Empfänger so optimiert, dass diese Signale mit sehr geringer Leistung empfangen und automatisch die Richtung des ankommenden Lasers verfolgen können.

Zur Beurteilung der Systemstabilität übertrugen die Wissenschaftler Zeitintervall-Signale bei zwei leicht unterschiedlichen Wellenlängen des nahinfraroten Lichts sowie ein weiteres solches Signal über eine Glasfaserverbindung. Durch den Vergleich der winzigen Unterschiede zwischen jeweils empfangenen Signalen wiesen die Forscher nach, dass sie das Ticken über Stunden hinweg mit einer Stabilität weitergeben konnten, die in 80 Milliarden Jahren einen Unterschied von einer Sekunde ausmacht. Diese Genauigkeit entspricht derjenigen von optischen Uhren.

Auf dem weiteren Weg zur optischen Signalübertragung gibt es jedoch noch einige Hürden. Das Experiment wurde bei optimalen atmosphärischen Bedingungen durchgeführt. In Städten würden die höhere Luftfeuchtigkeit und stärkere Turbulenzen in der Luft für noch höhere Verluste sorgen. Allerdings sind solche Verluste in Bodennähe am höchsten, und bei vertikaler Signalübertragung wirkt sich die geringere Dichte der oberen Luftschichten positiv aus. Daher sind die Forscher zuversichtlich, dass ihre Technologie einen Grundstein zu einer satellitengestützten optischen Übermittlung von Signalen und damit einem globalen Netzwerk optischer Signalübertragung legt.

In Zukunft ließen sich auf Grundlage der neuen Technik sogar optische Uhren im Weltraum mit Zeitmessern auf der Erde synchronisieren. „Unsere Arbeit ebnet den Weg für die künftige Zeit- und Frequenzverteilung über Satelliten“, ist Pan überzeugt. Durch die Kombination dieser Langstreckenverbindungen auf OFC- und Glasfaserbasis könnte die Instabilität für kurze Mittelungszeiten durch sorgfältiges Dispersionsmanagement der Kämme und der Fasern des Aufbaus verbessert werden, was praktisch zu einer besseren Genauigkeit der Zeitbestimmung führen könnte. „Mit einer solchen Synchronisation wäre es möglich, neue Methoden in der Grundlagenphysik einzusetzen, etwa bei der Suche nach dunkler Materie und dem Nachweis von Gravitationswellen“, fügt Pan hinzu.

Originalpublikation:

Qi Shen et al.:

Free-space dissemination of time and frequency with 10−19 instability over 113 km

Nature online, 5 October 2022

doi.org/10.1038/s41586-022-05228-5