
Die Wiederbelebung des Schattenwolfes
Von der Fantasie zur Realität
inst streiften sie durch die eisigen Wälder des Pleistozäns. Mythisch in Größe und Legende, starben Schattenwölfe (Canis dirus) vor über 10.000 Jahren aus. Nun hat das US-Biotech Unternehmen Colossal Biosciences das Unvorstellbare geschafft: Drei Schattenwolf-Welpen wurden geboren und markieren damit die erfolgreiche Wiederbelebung eines ausgestorbenen Raubtiers. Zum ersten Mal seit Jahrtausenden könnte das Heulen des Schattenwolfs wieder durch die Wildnis hallen.
Das in Dallas ansässige Biotech-Unternehmen Colossal dürfte einigen unserer Leser bereits aus dem Artikel „Von der Wollmaus zum Mammut“ bekannt sein. Nun hat sich dasselbe Unternehmen dem Schattenwolf zugewandt und die Geburt der Welpen verkündet. Einige von euch kennen den Schattenwolf vielleicht aus der berühmten Buch- und Fernsehserie Game of Thrones. Sinnbildhaft wurden die Welpen auf dem Eisernen Thron fotografiert, und separat auch mit dem Autor George R. R. Martin persönlich.
Sinnbildhaft wurden die Welpen auf dem Eisernen Thron fotografiert, und separat auch mit dem Autor George R. R. Martin persönlich.
Jenseits der Fantasie waren Schattenwölfe auch in der Realität legendär. Sie wurden bis zu 1,8 Meter lang und wogen bis zu 70 Kilogramm. Im Vergleich zu heutigen Wölfen waren Schrattenwölfe größer, muskulöser und hatten einen stärkeren Biss. Fossilien wurden in Nordamerika gefunden, obwohl man davon ausgeht, dass sie von Venezuela bis Kanada verbreitet waren. Obwohl sie traditionell der Gattung Canis zugeordnet werden, deuten genetische Untersuchungen darauf hin, dass ihr nächster lebender Verwandter der Grauwolf (Canis lupus) ist, trotz einer evolutionären Trennung vor über fünf Millionen Jahren.
Aber wie funktioniert die Wiederbelebung eines solchen Raubtiers überhaupt?
„Wiederbelebung bedeutet, Ökosysteme und Biodiversität durch die Rückkehr ausgestorbener Arten mittels gentechnischer Methoden wiederherzustellen. Die Erzeugung neuer Versionen ausgestorbener Organismen kann helfen, ökologische Rollen zurückzubringen und die biologische Vielfalt zu stärken“, erklärt Dr. Bridgett vonHoldt, Professorin für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Princeton University und wissenschaftliche Beraterin bei Colossal Biosciences.
Das Team von Colossal Biosciences analysierte das Genom des Schattenwolfs anhand der DNA eines 13.000 Jahre alten Zahns und eines 72.000 Jahre alten Schädels. Sie verglichen es mit dem Genom eines modernen Grauwolfs und identifizierten 20 wichtige Unterschiede in 14 Genen, die für die besonderen Merkmale des Schattenwolfs verantwortlich sind. Als Nächstes entnahmen sie endotheliale Vorläuferzellen (EPCs), die die Auskleidung der Blutgefäße bilden, aus dem Blutkreislauf lebender Grauer Wölfe. Die 14 Gene in den Kernen dieser Zellen wurden dann so bearbeitet, dass sie die 20 spezifischen Merkmale des Schattenwolfes ausdrücken.
„Die größte Herausforderung war die Ausrichtung des Genoms und sicherzustellen, dass wir keinen Schaden verursachen“, sagt Dr. Chris Mason, Professor für Genomik, Physiologie und Biophysik am Weill Cornell Medicine und Mitbegründer von Biotia.
Die bearbeiteten Zellkerne wurden entnommen und in entkernte Eizellen von Grauwölfinnen eingesetzt, die anschließend in die Gebärmütter zweier Mischlingshündinnen übertragen wurden. Romulus und Remus wurden von einer der Leihmütter geboren, Khaleesi folgte einige Monate später. Die Schattenwölfe leben nun in einem 2.000 Hektar großen Schutzgebiet, das von einem drei Meter hohen Zaun umgeben ist und unter ständiger Beobachtung steht.
Auch wenn die Wiederbelebung eines ausgestorbenen Raubtiers wie aus Jurassic Park wirken mag, besteht wenig Grund zur Sorge, Wölfe fürchten Menschen in der Regel mehr, als wir sie fürchten.
Eine der spannendsten Fragen ist, wie sehr die drei Welpen tatsächlich dem ausgestorbenen Schattenwolf ähneln. „Diese DNA-Kombinationen wurden tatsächlich wiederbelebt. Die genetischen Modifikationen am Genom des Grauwolfs wurden gezielt so ausgewählt, dass sie starke phänotypische Auswirkungen haben und für das Tier sicher sind“, erklärt Dr. vonHoldt. Dr. Mason ergänzt: „Bisher stimmen sie sehr gut mit der ausgestorbenen Art überein, aber das gesamte Ausmaß werden wir erst sehen, wenn sie ausgewachsen sind.“
Abgesehen vom „Wow“-Effekt unterstützt die Technologie von Colossal Biosciences auch die Wiederherstellung von Ökosystemen. Die Ghost Wolf Genetic Rescue Initiative zielt darauf ab, die verlorene genetische Vielfalt des ursprünglichen Rotwolfs wiederherzustellen. „Die geklonten roten ‚Geister‘-Wölfe sind ein direktes Beispiel für Artenschutz“, erläutert Bridgett vonHoldt. „Sie ermöglichen eine genetische Rettung ohne Tiere aus der Wildnis zu entnehmen und eröffnen neue Möglichkeiten, die Vielfalt und Gesundheit des Rotwolfs wiederherzustellen.“
Auch wenn die Wiederbelebung eines ausgestorbenen Raubtiers wie aus Jurassic Park wirken mag, besteht wenig Grund zur Sorge, Wölfe fürchten Menschen in der Regel mehr, als wir sie fürchten. Dennoch wirft die Rückkehr ausgestorbener Arten ethische Fragen auf. Spielen wir Gott oder ist das ein natürlicher Schritt in unserer Evolution? „Wir bewegen uns an dieser Grenze, aber das ist ein wesentlicher Teil der Verantwortung für das Leben, und unausweichlich“, reflektiert Dr. Mason. Letztlich wird nur die Zeit zeigen, wie sich die Welpen entwickeln. Ihre Reise kann man auf der Colossal Biosciences Website mitverfolgen:
Originalpublikation:
Gedman, Gregory L., et al.
On the Ancestry and Evolution of the Extinct Dire Wolf.
bioRxiv, 9 Apr. 2025, Preprint.
DOI: doi.org/10.1101/2025.04.09.647074