Die Kraft der Photonen
rifft Strahlung auf Hindernisse, erzeugt sie Druck, ähnlich wie etwa Wind in Segeln. Im Interview gibt LMU-Professor Jörg Schreiber vom Munich-Centre for Advanced Photonics Auskunft darüber was man alles mit der Kraft des Lichts anstellen kann.
Jeder kennt das Gefühl: Wind weht, wir spüren ihn als Druck auf unserer Haut. Bewegte, für uns unsichtbare Moleküle, Teilchen, aus denen sich unsere Atmosphäre zusammensetzt, sind dafür verantwortlich. Doch nicht nur Luft übt Kraft auf Flächen aus, sondern auch Licht, den so genannten Strahlungsdruck. Im Interview erklärt Jörg Schreiber, Professor am Lehrstuhl für Medizinphysik der LMU im Exzellenzcluster Munich-Centre for Advanced Photonics der Ludwig-Maximilians Universität, das Phänomen und wie sein Team sich den Strahlungsdruck zu Nutze macht.
Seit wann ist uns das Phänomen des Lichtdrucks bekannt?
Jörg Schreiber: Schon im Jahr 1873 erkannte James Maxwell in seiner Theorie zu elektromagnetischen Wellen, dass diese Druck auf Körper ausüben können. Die erste experimentelle Bestätigung lieferte dann Pjotr Nikolajewitsch Lebedev im Jahr 1901. Der Physiker Arthur Ashkin bestrahlte 1972 kleine Plastikkügelchen und beobachtete unter dem Mikroskop eine Bewegungsänderung.
Und wie kann man den Lichtdruck erklären?
Jörg Schreiber: So ganz klassisch mit der Mechanik kann man das nicht erklären. Denn anders als etwa Moleküle in der Luft haben Lichtteilchen, also die Photonen, keine Masse. Photonen sind Quantenteilchen, die sich immer mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Dennoch tragen sie einen Impuls und Energie in sich. Treffen diese Teilchen etwa auf eine Oberfläche und werden reflektiert dann kehrt sich ihre Bewegungsrichtung um und sie übertragen eine Kraft, ähnlich wie ein Tischtennisball auf den Schläger. Dabei vergrößert sich auch ihre Wellenlänge und sie haben dem bestrahlten Körper Bewegungsenergie zur Verfügung gestellt.
Kann man die Stärke des Lichtdrucks etwa auf unserer Haut quantifizieren?
Ja, sogar recht einfach. Der Lichtdruck berechnet sich einfach aus der Lichtintensität, an einem sonnigen Tag ist das ungefähr 1 kW pro Quadratmeter, geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit. Im Vergleich zum Luftdruck entspricht das nur 30 Millionstel Millionstel des uns umgebenden Luftdruckes, bzw. Ultrahochvakuumbedingungen die in Teilchen-Beschleunigern erzeugt oder in den niedrigen Erdumlaufbahnen, z.B. die der Internationalen Raumstation ISS, zu finden sind.
Es klingt erst mal ungewöhnlich, dass Licht wirklich Druck ausübt auf Flächen oder auch auf unsere Haut.
Jörg Schreiber: Ja, in der Tat. Der Druck des Lichts ist wahrlich gering, wirkt aber wie auch der Luftdruck permanent auf uns ein. Den nehmen wir im Übrigen ja auch nicht bewusst wahr.
Wie und wo kann man sich den Lichtdruck zu Nutze machen?
Jörg Schreiber: Interessant ist der Lichtdruck vor allem im Zusammenhang mit Lasern. Hier wird Licht extrem stark gebündelt und viele Photonen können auf engstem Raum konzentriert werden. Die geballte Kraft der Photonen wird heute schon in vielen Bereichen eingesetzt, z.B. um Zellen unter dem Mikroskop zu navigieren. In den riesigen Gravitationswelleninterferometern ist der Lichtdruck sogar so groß, dass er für Kalbrationsmessungen eingesetzt wird.
Wie nutzt Ihr Team den Lichtdruck?
Jörg Schreiber: Wir schicken hochintensive Laserpulse auf hauchdünne, typischerweise diamantartige Folien, die aus nur wenigen Atomlagen Kohlenstoff bestehen. Der Lichtdruck treibt die viel leichteren Elektronen vor sich her wie ein Segel. Die Ionen, also geladene Atome, werden durch die elektrischen Kräfte hinterher gezogen und auf rund zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Es entsteht Ionenstrahlung, getrieben durch den Strahlungsdruck der ultrakurzen Laserpulse. Ionenstrahlung kann zur Behandlung von Tumoren in der Krebstherapie eingesetzt werden, wenn sie über genug Energie verfügt. Aktuell wird diese hochenergetische Strahlung von großen, kostenintensiven Beschleunigern erzeugt. Die Lasertechnologie ist noch nicht in der Lage, eine ebenbürtige Qualität zu liefern. Aber sie hat das Potential die notwendige Technologie für den medizinischen Einsatz künftig kostengünstiger und platzsparender, und mit neuartigen Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Welche visionären Anwendungsmöglichkeiten gibt es für den Lichtdruck?
Es gibt die Idee leichteste Segel ausgestattet mit Mikrotechnologie, z.B. Mini-Kameras, ins Universum zu schicken. Die Flotte der „Star-Chips“ würde mit Lichtdruck aus Lasern von der Erde oder einer Umlaufbahn aus, beschleunigt. Ich halte die Idee für wahnsinnig spannend und nicht unrealistisch, wenn auch noch einige Hürden zu nehmen und Konzepte überprüft werden müssen. Wer möchte da nicht beitragen? In einigen Jahrzehnten segeln vielleicht wirklich winzige Nanosegel durch den Weltraum, angetrieben nur durch den Impuls des Lichts, und wir kommunizieren mit den ersten Außerirdischen über Facebook.