Plötzlich unsichtbar!
orscher der TU-Wien haben eine Theorie für eine Tarnkappen-Technologie entwickelt. In Zukunft könnten so Dinge einfach aus unserem Sichtfeld verschwinden.
Wie macht man Objekte unsichtbar? Diese Frage treibt die Menschheit seit Jahrhunderten um. Was in Märchen oder Heldenepen den Protagonisten ohne Probleme mit einem Zauberspruch oder einem Ring am Finger gelingt, gestaltet sich in der Realität weitaus schwieriger.
Jetzt hat ein Forscherteam der TU-Wien einen theoretischen Ansatz für eine Tarnkappen-Technologie entwickelt. Ein Objekt wird von oben oder unten mit einem bestimmten Wellenmuster bestrahlt. Das Ergebnis: Lichtwellen, die von einer bestimmten Seite auf das Objekt treffen, dringen ungehindert durch. Im Normalfall würden das Objekt sie zurückwerfen. Damit wird das Objekt sichtbar. Aber unter der Wechselwirkung der Strahlung von oben wird es unsichtbar.
„Komplizierte Materialien wie etwa ein Stück Würfelzucker sind undurchsichtig, weil die Lichtwellen in ihnen gestreut werden“, erklärt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Das Licht kann eindringen und wieder herauskommen, aber die Lichtwelle kann sich nicht geradlinig durch das Medium bewegen. Stattdessen wird sie in alle Richtungen gestreut.“
Seit Jahren gibt es die unterschiedlichsten Ansätze, die Wellenstreuung zu überlisten und somit eine Art „Tarnkappe“ herzustellen. So kann man etwa aus speziellen Materialien Objekte herstellen, die bestimmte Lichtwellen außen um sich herumleiten. Es gibt auch Experimente mit Gegenständen, die von sich aus Licht abstrahlen: Wenn ein Bildschirm nach vorne das Licht aussendet, das er auf der Rückseite absorbiert, dann erscheint er unsichtbar – zumindest, wenn man ihn aus dem richtigen Winkel betrachtet.
An der TU Wien versucht man nun das Problem auf fundamentaler Ebene zu lösen. „Wir wollten die Lichtwelle nicht umleiten oder mit Zusatz-Displays wiederherstellen, sondern die ursprüngliche Lichtwelle auf geradem Weg durch das Objekt steuern, so als wäre das Objekt gar nicht da“, sagt Andre Brandstötter, ein Ko-Autor der Studie. „Das klingt merkwürdig, doch mit bestimmten Materialien und unserer speziellen Wellentechnologie ist das möglich.“
„Der entscheidende Trick ist, dem Material punktgenau Energie zuzuführen und an anderen Stellen Absorption zu erlauben“, erklärt Prof. Konstantinos Makris von der Uni Kreta. „Von oben wird das richtige Punktmuster auf das Material gestrahlt, wie durch einen gewöhnlichen Videoprojektor, allerdings mit sehr hoher Auflösung.“
Passt das Muster genau zu den inneren Unregelmäßigkeiten im Material, an denen normalerweise das Licht gestreut wird, kann man durch das zugeführte Licht die Streuung ausschalten. Ein Lichtstrahl kann von links nach rechts ungehindert und verlustfrei durch das Material gelangen.
„Dass es mathematisch möglich ist, ein solches Punktmuster zu finden, ist nicht sofort ersichtlich“, sagt Rotter. „Jedes Objekt, das man durchsichtig machen will, muss man mit einem individuellen Punktmuster bestrahlen – abhängig von der mikroskopischen Streuung in seinem Inneren. Wir haben nun eine Methode entwickelt, für ein beliebiges, zufällig streuendes Objekt genau das richtige Bestrahlungs-Punktmuster zu errechnen.“
Dass die Methode funktioniert, haben die Forscher in Computersimulationen gezeigt. Nun soll die Idee experimentell umgesetzt werden. Stefan Rotter ist zuversichtlich: „Wir sind im Gespräch mit experimentellen Forschungsgruppen, mit denen wir das technisch umsetzen möchten. In einem ersten Schritt ist es wahrscheinlich einfacher mit Schallwellen statt mit Licht zu arbeiten – aus mathematischer Sicht spielt dieser Unterschied keine erhebliche Rolle.“