Licht im Gestein erzählt<br>Tibets Geschichte
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Licht im Gestein erzählt
Tibets Geschichte

16. Januar 2017 | Quelle: Uni Innsbruck/Redaktion Thorsten Naeser

In Kalk-Mineralien gespeicherte Strahlung gibt Auskunft wann das tibetische Hochplateau von Menschen besiedelt wurde.

Wie lange wohnen die Menschen schon auf dem „Dach der Welt“? Die Meinungen darüber wie lange Menschen schon fähig sind auf dem rund 4500 Meter hohen Tibetischen Hochplateau dauerhaft zu leben, gehen auseinander. Denn um in solchen Höhen zu leben mussten sich die Tibeter erst an das raue Klima anpassen. Vermutlich war das Hochplateau die letzte Gegend auf der Erde, die von Menschen besiedelt wurde.

Aufschluss über die Besiedlungsgeschichte geben Hand- und Fußabdrücke der frühen Siedler, die sich im Kalkstein an Heißwasserquellen in Chusang eingedrückt haben. Der so genannte Travertin-Kalkstein härtet an diesen heißen Quellen aus, nachdem seine im Wasser gelösten Minerale aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche gelangt sind.

Die Abdrücke hat nun ein internationales Forscherteam um den Geologen Michael Meyer vom Institut für Geologie der Uni Innsbruck datiert (Science 6. Januar 2017, DOI:10.1126/science.aag0357). Neben den, in der Geologie, gängigen Radio-Carbon Methode und der Datierung mit der Uran-Thorium Technik, kam zusätzlich die Lumineszenz-Datierung zum Einsatz - die Forscher haben mit Licht das Alter des Gesteins bestimmt. „Bei der Lumineszenz-Datierung bestimmen wir, wie viel Lumineszenz oder in anderen Worten, wie viel Licht in einem Mineral gespeichert ist“, erklärt Michael Meyer.

Minerale haben die Fähigkeit, Licht zu speichern, indem unter Sonnenlicht-Einfluss Elektronen in den Atomen auf höhere Orbitale gehoben werden, wo sie für lange Zeit an Fehlstellungen im Kristallgitter haften bleiben. Die natürliche Radioaktivität treibt diesen Prozess an. Die Position der Elektronen auf diesen erhöhten Orbitalen ist allerdings sehr empfindlich und leicht reversibel.

Die Geologen setzten nun die lichtdicht verschlossenen Gesteinsproben im Labor unter kontrollierten Bedingungen wiederum Laserlicht aus. Die Energiezufuhr durch das Laserlicht reichte aus, die Elektronen auf ihr Ursprungsorbital zurückfallen zu lassen. Dabei sendeten die Teilchen ein messbares Lichtsignal aus, das proportional zum Alter der Probe ist.

Die Spezialität der Wissenschaftler in Innsbruck ist die Messung von einzelnen Quarz-Körnern, die separat mit dem Laser stimuliert werden. Der Datensatz der Lumineszenz von tausenden Einzelkörnern ergab dann eine verlässliche Altersangabe.

„Nach unseren Berechnungen sind die Abdrücke zwischen 8.000 und 12.000 Jahre alt. In diese Zeitspanne fällt auch der Beginn des Holozäns, also der Anfang der jetzigen Warmzeit. Zu dieser Zeit gab es jährlich starke Monsun-Regenfälle“, erklärt Meyer. Die Ergebnisse legen daher nahe, dass die Menschen mit der immer grüner werdenden Flora und der wachsenden Fauna klimagesteuert in höhere Lagen mitgezogen sind, um neue Jagdgebiete zu erschließen.

Das Leben auf dieser Höhe erfordert eine spezielle Anpassung der Menschen. Die Anpassung ist so speziell, dass ein spezielles Gen zur Höhenanpassung nur bei Tibetern zu finden ist. Manche Theorien von Genetikern gehen sogar von der beginnenden Mutation dieses Gens vor etwa 30.000 Jahren aus. Meyer betont, dass es durchaus sein kann, dass der älteste Nachweis des prähistorischen Menschen auf dem Tibetischen Hochplateau noch nicht gefunden wurde. Bis dahin stellt jedoch die Altersbestimmung der Hand- und Fußabdrücke von Chusang einen Meilenstein bei der Erforschung der Besiedelungsgeschichte des „Dachs der Welt“ dar.