„Das ist der schnellste elektrische Strom“
uf dem Weg hin zur schnelleren Elektronik spielt der Elektronenfluss innerhalb des Stromkreises eine entscheidende Rolle. Mit konventionellen Methoden wie etwa mit Batterien lassen sich Elektronenschwingungen bis zum Gigahertzbereich erzeugen. Mithilfe von ultrakurzen Laserpulsen konnten Forscher nun Elektronen in einem Festkörper auf bis zu acht Billiarden Schwingungen pro Sekunde antreiben. Das ist rund eine Millionen mal schneller als es bislang möglich war. Bei der Messung dieses extrem schnellen Stromflusses griffen die Wissenschaftler auf Techniken aus der Attosekundenphysik zurück, da elektronische Detektoren hier versagen. Über ihren Ansatz berichten sie in der Fachzeitschrift „Nature“. Franziska Konitzer sprach darüber mit Eleftherios Goulielmakis vom Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching, der an der Forschung beteiligt war.
Wie bewegen sich Elektronen in einem konventionellen Stromkreis?
Das kann man sich so vorstellen, dass die Elektronen durch elektrische Felder angetrieben werden, die beispielsweise von Batterien erzeugt werden. Wenn man ein statisches Feld anlegt, werden die Elektronen nur in eine Richtung angetrieben, sie fließen. In elektronischen Geräten verwendet man aber Wechselstrom, deshalb schwingen die Elektronen mit einer gewissen Frequenz. In konventionellen elektronischen Geräten können diese Frequenzen bis zu rund hundert Gigahertz betragen, wobei ein Gigahertz einer Milliarde Schwingungen pro Sekunde entspricht.
Wodurch wird die Geschwindigkeit der Elektronen begrenzt?
Die Elektronen stoßen mit den Atomen und Molekülen im Festkörper, durch den sie sich bewegen, zusammen. Das schränkt ihre Geschwindigkeit ein, denn wenn man versucht, immer schnellere elektrische Felder einzusetzen, kommen die Elektronen praktisch nicht mehr hinterher und werden langsamer. Deshalb haben Forscher in der Vergangenheit versucht, Festkörper auf sehr niedrige Temperaturen abzukühlen. Dann sind die Atome quasi eingefroren und die Elektronen können sich einfacher bewegen. Aber auch dieser Effekt ist begrenzt.
Warum wären höhere Geschwindigkeiten der Elektronen wünschenswert?
Da geht es grundlegend um die Frage, wie man elektronische Geräte noch schneller machen könnte. Seit Jahrzehnten stellen Wissenschaftler Stromkreise her, die immer kleiner werden. Dadurch werden die Entfernungen, die die Elektronen zurücklegen müssen, immer kürzer und die Elektronik immer schneller. Dieser Ansatz hat jahrzehntelang funktioniert, aber jetzt erreicht er seine Grenzen, weil die Elektronik jetzt so dünn ist, dass sie nur wenige Atome durchmisst. Deshalb müssten wir die Elektronen noch schneller dazu bringen, sich so zu bewegen, wie wir das wollen. Denn das ist letztendlich Elektronik: die kontrollierte Bewegung von Elektronen innerhalb eines Festkörpers.
Wie kann man noch höhere Frequenzen bei den Elektronenschwingungen erreichen?
Wir wissen, dass die Atome die Elektronen auf Zeitskalen von Pikosekunden bis herunter zu Femtosekunden stören. Also müssen wir versuchen, Elektronen noch schneller als auf diesen Zeitskalen anzutreiben. Dafür braucht man stärkere und schnellere Kräfte als sie bislang zum Einsatz kommen. Mit einem normalen elektrischen Feld, das etwa über eine Batterie erzeugt werden würde, würde man aber das Material zerstören.
Was war Ihr Ansatz, um die Elektronen anzutreiben?
Wir haben Licht verwendet, und extrem kurze Laserpulse auf einen Festkörper aus Silikondioxid geschickt, die nur wenig länger waren als die Schwingung einer einzigen Lichtwelle. Licht ist natürlich auch ein elektrisches Feld, das die Elektronen antreiben kann und sie hin und her schwingen lässt. Die elektrischen Felder dieser Laserpulse schwingen mit Lichtgeschwindigkeit, und sie können sehr stark sein. Obwohl Materie oder Festkörper solche extrem starken Felder nicht aushalten können, weil sie sonst kaputt gehen, funktioniert das in unserem Fall, weil die Felder nur für extrem kurze Zeit so stark sind. Deshalb kann ein Laser Kräfte auf Elektronen ausüben, die etwa zehn Mal stärker sind als das, was mit Standardmethoden möglich wäre.
Welche Frequenzen haben Sie dabei erreicht?
Wir treiben sie sehr schnell an, und zwar so schnell, dass die viel schwereren Atome gar nicht dazu kommen, sich zu bewegen und dadurch die Elektronenbewegung zu stören. Die Elektronen schwingen dabei nicht nur genauso schnell wie das elektrische Feld des Laserpulses, sondern sogar noch schneller, ihre Reaktion ist also nicht linear. Wir konnten damit Frequenzen von acht Petahertz erreichen, das entspricht acht Billiarden Schwingungen pro Sekunde. Das ist der schnellste jemals gemessene elektrische Strom, und ungefähr eine Million mal schneller als konventionelle Elektronik.
Wie konnten Sie diesen Strom messen?
Das ist genau der springende Punkt. Genauso wie kein elektronisches Gerät diese hohen Frequenzen erzeugen kann, können wir genauso wenig ein Gerät bauen, dass sie misst. Aber auf unserem Forschungsgebiet der Attosekundenphysik haben wir in den letzten Jahren Techniken entwickelt, mit denen wir die extrem schnellen Schwingungen von elektromagnetischer Strahlung messen können – wohlgemerkt, von Strahlung, nicht von Elektronen. Weil wir die Elektronen im Festkörper so schnell antreiben und viele Elektronen Schwingungsbewegungen ausführen, senden diese Elektronen selbst Strahlung im extremen Ultraviolettbereich aus. Diese Strahlung enthält alle Geheimnisse der eigentlichen Schwingungsbewegung, und indem wir sie vermessen, können wir auf die Bewegungen der Elektronen schließen. Das ist für uns der eigentliche Durchbruch.
Handelt es sich dabei um reine Grundlagenforschung oder kann man sich auch schon Anwendungen vorstellen?
Wir betrachten Elektronik aus der Sichtweise eines Physikers. Wir erkunden die Prinzipien und wollen herausfinden, was eigentlich physikalisch möglich ist. Zwar wusste man, dass die Wechselwirkung zwischen Licht und Materie dazu führt, dass sich Elektronen bewegen. Aber es war viele Jahre nicht klar, dass Laser das wirklich schaffen und man diese Bewegung auch beobachten kann. Natürlich können wir im Moment keinen Transistor in diesen Kreis schalten, aber das ist die Grundlage, die eines Tages auch zu Anwendungen führen könnte.