Origami mit DNA-Kristallen
Was die Natur scheinbar spielend beherrscht, ist technologisch nicht ganz so trivial. Die Herstellung eines künstlichen photonischen Kristalls für Wellenlängen des sichtbaren Lichts ist schon seit ihrer theoretischen Vorhersage vor mehr als 35 Jahren eine große Herausforderung. | © Foto: Gregor Posnjak

Origami mit DNA-Kristallen

13. Juni 2024 | von Dr. Caroline Zörlein

Über die Faltung von DNA-Strängen produzieren Physiker und Physikerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität München ein Diamantgitter. Ein neuer Ansatz, um Halbleiter für sichtbares Licht herzustellen.

Dass Schmetterlingsflügel in intensiven Farben schillern, verdanken sie keineswegs Farbpigmenten. Es sind photonische Kristalle, die für das Farbspiel verantwortlich sind. Ihre periodische Nanostruktur lässt das Licht bestimmter Wellenlängen passieren, während sie andere Wellenlängen reflektiert. Dadurch erscheinen die an sich transparenten Flügelschuppen so strahlend bunt.

Was die Natur scheinbar spielend beherrscht, ist technologisch nicht ganz so trivial. Die Herstellung eines künstlichen photonischen Kristalls für Wellenlängen des sichtbaren Lichts ist schon seit ihrer theoretischen Vorhersage vor mehr als 35 Jahren eine große Herausforderung. Der Grund: „Photonische Kristalle bieten ein vielseitiges Anwendungsspektrum. Mit ihrer Hilfe ließen sich effizientere Solarzellen, innovative Lichtleiter oder Materialen für die Quantenkommunikation entwickeln. Aber sie lassen sich bisher nur sehr aufwendig herstellen“, erklärt Dr. Gregor Posnjak.

Der Physiker ist Postdoktorand in der Forschungsgruppe von LMU-Professor Tim Liedl, die vom Exzellenzcluster e - conversion gefördert wird. Sein Team nutzt DNA-Nanotechnologie und entwickelt damit neue Ansätze zur Herstellung photonischer Kristalle.

Die Nanotechnologen verwenden im Gegensatz zu Lithographieverfahren eine Technik namens DNA-Origami, um Bausteine zu entwerfen und zu verbinden. Diese fügen sich dann zu einem bestimmten Gitter zusammen. „Es ist bekannt, dass das ein Diamantgitter theoretisch eine optimale Geometrie für photonische Kristalle aufweist. Im Diamant ist jedes Kohlenstoffatom mit vier weiteren Kohlenstoffatomen verbunden. Unsere Herausforderung bestand darin, die Struktur eines Diamantkristalls um das 500-Fache zu vergrößern, sodass die Abstände zwischen den Bausteinen mit der Wellenlänge des Lichts vergleichbar sind“, erklärt Tim Liedl. „Wir haben die Periodizität des Gitters auf 170 Nanometer erhöht, indem wir die einzelnen Atome durch größere Bausteine mit Hilfe von DNA-Origami ersetzt haben“, ergänzt Posnjak.

Dr. Gregor Posnjak bei der Arbeit im Labor.

Das ist eine Spezialität der Forschungsgruppe: Sie zählt zu den weltweit führenden Teams in Sachen DNA-Origami. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen einen langen, ringförmigen DNA-Strang (bestehend aus etwa 8.000 Basen) und einen Satz aus 200 kurzen DNA-Klammern. Letztere steuern die Faltung des längeren DNA-Strangs in nahezu jede beliebige Form, vergleichbar mit Origami-Meistern, die Papierstücke zu komplizierten Objekten zu falten. „Wir können über die Klammern also kontrollieren, wie sich die DNA-Origami-Objekte zum gewünschten Diamantgitter verbinden“, sagt Posnjak. Die DNA-Origami-Bausteine bilden etwa zehn Mikrometer große Kristalle, die auf einem Substrat abgeschieden und von einer kooperierenden Forschungsgruppe am Walter-Schottky-Institut der Technischen Universität München übernommen werden: Das Team von Professor Ian Sharp ist in der Lage, einzelne Atomlagen Titandioxid auf allen Oberflächen der DNA-Origami-Kristalle abzuscheiden. „Das DNA-Origami-Diamantgitter dient als Gerüst für Titandioxid, das aufgrund seines hohen Brechungsindex die photonischen Eigenschaften des Gitters bestimmt. Nach der Beschichtung lässt unser photonischer Kristall UV-Licht mit einer Wellenlänge von etwa 300 Nanometern nicht durch, sondern reflektiert es“, erklärt Posnjak. Die Wellenlänge des reflektierten Lichts lässt sich über die Dicke der Titandioxidschicht steuern.

Für photonische Kristalle, die im Infrarotbereich funktionieren, eignen sich zwar klassische Lithographieverfahren, die aber aufwändig und teuer sind. Im Wellenlängenbereich des sichtbaren und UV-Lichts waren Lithographieverfahren bislang nicht erfolgreich. „Deswegen bietet der vergleichsweise einfache Herstellungsprozess über die Selbstorganisation von DNA-Origami in wässriger Lösung eine gute Möglichkeit, Strukturen der gewünschten Größe kostengünstig und in größeren Mengen zu produzieren“, sagt Prof. Tim Liedl. Er ist überzeugt, dass die einzigartige Struktur mit ihren großen Poren, die chemisch adressierbar sind, weitere Forschungsimpulse auslösen werden. Zum Beispiel im Bereich der Energiegewinnung und -speicherung.

Originalveröffentlichung:

Gregor Posnjak, Xin Yin, Paul Butler, Oliver Bienek, Mihir Dass, Seungwoo Lee, Ian D. Sharp, Tim Liedl

Diamond lattice photonic crystals assembled from DNA origami.

Science 2024

doi.org/10.1126/science.adl2733