
Ein Traum geht in Erfüllung
adil Kassab ist seit Juni Doktorandin im Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Für die Syrerin ein großes Gefühl von Freiheit.
Hadil ist am Ziel ihrer Träume. Sie entwickelt jetzt einen neuen Laserverstärker mit erhöhter Puls-Energie. Der Weg zur Promotion am Max-Planck-Institut für Quantenoptik führte über einige Umwege. Heute ist sie eine nachdenkliche und reflektierte junge Frau, die es geschafft hat, ihren Optimismus zu bewahren, und sich über die neu gewonnenen Kenntnisse freut. Hadil ist in Aleppo in Syrien geboren, aufgewachsen und hat dort Elektrotechnik studiert. „Den Traum eine Masterarbeit im Ausland zu machen, hatte ich schon sehr lange. In Syrien sind die Möglichkeiten in der Forschung begrenzt“, sagt sie. Die Gedanken, ins Ausland zu gehen, hat Hadil lange Zeit von sich geschoben. Immer wieder wurde ihr klar, dass das Visum eine hohe Hürde darstellt. „Photonik hat mich schon während des Bachelorstudiums fasziniert, aber in Syrien gab es dazu kein passendes Studium“, sagt die Doktorandin mit den langen dunklen Haaren und der markanten Brille. Und so behielt sie ihren Traum weiter im Hinterkopf.
Schon bei der Entscheidung für ein naturwissenschaftliches Abitur hatte sie den Wunsch, mit ihrem Beruf einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Und auch bei der Studienwahl waren rationale Gründe ausschlaggebend: Ein Bachelor in Elektrotechnik bietet viele Möglichkeiten für einen Masteranschluss und öffnet Türen zu vielen Berufsfeldern. Ihr Freund, den sie während des Studiums kennengelernt hat, hatte mittlerweile eine Anstellung als Elektrotechnik-Ingenieur in Riad (Saudi-Arabien) gefunden. Im Jahr 2011 ist in Syrien der Krieg ausgebrochen. Wegen der Gefahrenlage in Aleppo ist Hadil Ende 2012 zu ihm nach Riad gezogen. In Saudi-Arabien mussten die beiden heiraten. „Ich wollte in der Wissenschaft arbeiten“, erklärt sie, aber wegen der Geschlechtertrennung und der Bevorzugung von saudi-arabischen Bewerberinnen hat sie nichts Geeignetes gefunden. Sie hat dann Kinder mit Nachhilfeunterricht in Mathe und Physik unterstützt. Die Fahrten mit dem Taxi zu den Kindern und hin und wieder in ein Einkaufzentrum waren die einzigen Gelegenheiten die Wohnung zu verlassen. „Mit dieser Lebenssituation war ich nicht glücklich“, erinnert sich Hadil.
Und so war es an der Zeit, sich auf ihren Traum zurückzubesinnen. Aus dem diffusen Wunsch „Ausland“ wurde Deutschland als Ziel. „Die Masterprogramme sind hier sehr gut und der Schwerpunkt Photonik und Laserforschung ist für einen Job vielversprechend“, meint Hadil. In den letzten Jahren ist es für Syrer besonders schwierig ein Visum zu erhalten. Um ihr großes Engagement zu zeigen, lernte Hadil eineinhalb Jahre lang Deutsch. Sie bewarb sich an mehreren Universitäten weltweit. Schließlich entschied sie sich für das Masterprogramm „Advanced Optical Technologies“ an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg (FAU) und erhielt ein Visum. Parallel dazu begann sie die Seen der Voralpen und das Allgäu zu erkunden. Mittlerweile hat Hadil den Radius erweitert. „Ich will die gesamten Alpen sehen! Ich liebe diese Landschaft.“, sagt sie begeistert.
Im Rahmen ihrer Masterarbeit über die Entwicklung Laserverstärker hat sie bei Dausinger + Giesen in Stuttgart ein System auf Scheibenlaserbasis aufgebaut. Eine anschließende Initiativbewerbung führte zur Doktorandenstelle in der Thin-Disk Laser Technology-Gruppe bei Professor Ferenc Krausz. Seit Anfang Juni ist Hadil nun am MPQ. Ihr Ziel ist es, einen Verstärker zu entwickeln, um die Puls-Energie des Lasers zu erhöhen. Alle anderen Eigenschaften des Lasers, wie Pulsdauer, Wiederholungsrate und Strahlqualität, sollen erhalten werden.
Ihre Eltern haben Hadil immer unterstützt, sowohl bei der Studienwahl als auch bei der Entscheidung ins Ausland zu gehen und erst recht unterstützen sie ihren Lebensstil. Ihre Mutter war Lehrerin und hat auch nach der Geburt der Kinder weiter gearbeitet. Überhaupt kann Hadil mit dem zu weiten Teilen in Syrien vorherrschenden Frauenbild nichts anfangen. „Immer noch heiraten die meisten Akademikerinnen nach dem Bachelorabschluss, um dann schnell Kinder zu bekommen. Ich kann mich mit der gleichberechtigteren Frauenrolle in Deutschland viel besser identifizieren“, sagt die Ingenieurin bestimmt. Während des Studiums lag der Frauenanteil bei etwa 20 Prozent, in Aleppo ebenso wie an der FAU. Nachteile als Frau hat sie keine erlebt. Die Unterschiede sind ihr viel eher bei der besseren Laborausstattung in Deutschland aufgefallen. Die Chancen, die sie erhält, empfindet sie sehr gut. Und so will sie auch auf die Diskriminierung, die sie als Araberin an Deutschland einmal erlebt hat, nicht näher eingehen. Schließlich gibt es Diskriminierung überall und auch in Syrien.
Viel wichtiger ist es Hadil, dass sie ihre Sprachkenntnisse noch weiter perfektionieren möchte. Zudem kocht sie sehr gerne und sie interessiert sich für klassische Musik. Wenn sie irgendwann mal die Zeit findet, möchte sie Cellospielen lernen. Gerade macht sie ihren Führerschein. Obwohl sie noch keine Vorstellungen für die Zeit nach der Promotion hat und zunächst abwarten möchte, welche Chancen sich ergeben, will Hadil am liebsten in Bayern bleiben. Hier sieht sie gute Möglichkeiten für Forschung in der Laserphysik oder einen erfüllenden Job in der freien Wirtschaft. Darüber hinaus verknüpft Hadil nach den Erlebnissen des Kriegs in Aleppo und der schweren Zeit in Saudi-Arabien mit ihrer neuen Heimat ein großes Gefühl von Freiheit. „Ich habe Bayern in mein Herz geschlossen.“