Versteckt im Goldschmuck
Die Neutronentomografie zeigt das Innere des Reliquienanhängers. Darin sind fünf Reliquienpäckchen zu erkennen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) hat das Geheimnis eines vergoldeten Anhängers gelüftet, der 2008 in einer mittelalterlichen Abfallgrube in der Mainzer Altstadt gefunden wurde. Dank zerstörungsfreien Untersuchungen an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) konnten die Forschenden im Inneren des Objekts kleinste Knochensplitter lokalisieren, bei denen es sich vermutlich um Reliquien handelt. | © Fotos: Sabine Steidl / LEIZA & Burkhard Schillinger

Versteckt im Goldschmuck

3. Februar 2023 | von Thorsten Naeser/TUM

Das Geheimnis eines vergoldeten Anhängers hat ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Zentrums für Archäologie (LEIZA) gelüftet. Der Schmuck wurde im Jahr 2008 in einer mittelalterlichen Abfallgrube in der Mainzer Altstadt gefunden. Mit Hilfe einer zerstörungsfreien Untersuchung an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) entdeckten die Forschenden im Inneren des Objekts kleinste Knochensplitter, bei denen es sich vermutlich um Reliquien handelt.

Was man von außen nicht sehen kann, das muss man auf andere Weise sichtbar machen. Normale Lichtwellen kommen dafür nicht in Frage. Aber man kann zum Beispiel Neutronenstrahlung verwenden. Solche Neutronenstrahlen werden an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz der TU München auf dem Forschungscampus Garching erzeugt. Sie eignen sich zur speziellen Bildgebung. Anders als zum Beispiel Röntgenstrahlen, durchdringen die Neutronen Metalle, machen dabei aber organische Substanzen sichtbar.

Das restaurierte Reliquiar. Außen ist es mit Bildern von Jesus und Maria geschmückt. Foto: Sabine Steidl / LEIZA

„Die zerstörungsfreie Untersuchung mit Neutronen war sehr hilfreich, da wir den Anhänger nicht einfach öffnen und hineinsehen konnten. Durch die jahrhundertelange Korrosion ist das Objekt und vor allem der Schließmechanismus stark beschädigt. Es zu öffnen hätte bedeutet, es unwiderruflich zu zerstören“, erklärt Restaurator Matthias Heinzel vom LEIZA. Unter der Neutronenstrahlung gab der reich verzierte Anhänger seine Geheimnisse preis. Fünf einzelne Päckchen aus Seide und Leinen kamen bei der Auswertung der Tomografien zum Vorschein. Darin waren jeweils Knochensplitter eingepackt.

Erste Untersuchungen ergaben, dass es sich bei dem etwa sechs Zentimeter hohen und breiten, sowie ein Zentimeter dicken Anhänger, vermutlich um einen Aufbewahrungsbehälter für Reliquien handelte. Da auf konventionellen Röntgenaufnahmen der organische Inhalt des Objekts nicht erkennbar war, kam die Untersuchung mittels Neutronen des FRM II zum Einsatz: Dr. Burkhard Schillinger von der TUM führte am Instrument ANTARES eine Neutronentomographie durch, die die einzelnen Textilpäckchen mit den Knochensplittern im Inneren sichtbar machte. „Ob es sich um Knochen von Heiligen handelt lässt sich nicht herausfinden. Meist ist Reliquienpäckchen ein Pergamentstreifen beigefügt, auf dem der Name des Heiligen steht. In diesem Fall können wir es aber leider nicht sehen“, erklärt Heinzel.

Nur drei andere Reliquiare dieser Art, genannt Phylakterium, sind bisher bekannt. Phylakterium übersetzt sich aus dem Griechischen mit Verwahrungs- oder Schutzmittel. Ihre Besitzer trugen sie am Körper, meist um den Hals. Außen ist der vergoldete Anhänger aus Kupfer mit Bildern von Jesus, den vier Evangelisten, Maria und vier weiblichen Heiligen emailliert. Die Forschenden datieren ihn auf das späte 12. Jahrhundert und ordnen ihn einer Werkstatt in Hildesheim zu.