Rolex der Antike
Ansicht des freigelegten Teilstücks der antiken Meridianline des Horolgium Augusti unterhalb des Kellers eines Wohnhauses in der Via di Campo Marzio in Rom. | © Foto: Lalulpa

Bei der als Solarium oder auch Horolgium Augusti bekannten Anlage handelte es sich also um eine groß angelegte astronomische Messstation, welche auch als Meridianinstrument oder Mittagsweiser und Jahreskalendarium bezeichnet wird. Dabei wurde eine horizontale Meridianlinie aus Bronze in die Bodenplatten des Marsfeldes eingelegt. Moderne Untersuchungen haben ergeben, dass der zu messende Mittagsschatten zur Zeit der Wintersonnenwende in Rom ca. 65 Meter vom Obelisk entfernt lag. Die Meridianlinie markierte die beiden Sonnenwendpunkte, die etwa 55 Meter auseinanderliegen. Archäologische Forschungen haben weiter bestätigt, dass es quer zur Meridianlinie weitere Bronzemarkierungen zu deren Unterteilung gab. So wurde die Linie in die einzelnen Bereiche der Tierkreiszeichen untergegliedert, die wiederum für sich eine 30° Einteilung aufweisen. Der Schatten der Kugel des Obelisken zeigte also den Ort der wandernden Sonne im jeweiligen Tierkreiszeichen an.

Den genauen Aufschluss darüber gab eine spektakuläre Grabung des deutschen Archäologischen Instituts Anfang der 1980er Jahre. Man versuchte im Vorfeld die Lage der ehemaligen Anlage auf dem Marsfeld möglichst genau auf Plänen zu rekonstruieren. In der Folge fand eine im heute von Häuserkomplexen bebauten Gebiet stichprobenhafte Grabung statt, bei der in einem aufwändigen Verfahren der ganze Bodenabschnitt vereist werden musste, um das Eindringen von Grundwasser zu verhindern. In einem freigelegten Bereich in rund 6 Meter Tiefe unter dem Keller des Hauses in der Via del Campo Marzio 48 stießen die Archäologen tatsächlich auf einen gut 6,5 Meter langen Ausschnitt der augusteischen Meridianlinie! Die dort gefundenen Markierungen der Tierkreiszeichen wurden auf Griechisch, schon damals die Gelehrtensprache, bezeichnet. Auf der westlichen Seite verläuft der Abschnitt vpm Tierkreiszeichen des Widders („Krios“) bei 19° bis zu 16° Stier („Tauros“). Im Osten von 14° Löwe („Leon“) bis 11° Jungfrau („Parthenos“). Die Abstände der Gradeinteilung nehmen dabei von Süden nach Norden kontinuierlich von 19 bis auf 30 cm zu. Da der Fundort gut 1,5 Meter über dem augusteischen Bodenniveau angesiedelt ist, nimmt man an, dass die Anlage bald schon eine Zerstörung erfahren hat und unter dem späteren Kaiser Domitian auf dem durch Überschwemmungen des Tibers nun höher gelegenen Gebiet des Marsfeldes erneut rekonstruiert wurde.

Am unteren rechten Bildrand ist in der Karte die ursprüngliche Lage des Horologium Augusti und der Ara Pacis verzeichnet. (Quelle: Lanciani 1893-1901)

Das Horologium des Augustus, auf dem ursprünglich noch vor den Toren der Stadt Rom gelegenen Marsfeld, war eingebettet in ein Ensemble auf sich einander beziehender Repräsentationsbauten. Neben dem zu Lebzeiten errichteten Mausoleum des Augustus bezog sich die Anlage auch auf den ursprünglichen Ort der heute etwas versetzt aufgestellten Ara Pacis, dem Friedensaltar des Augustus. Das System der ganzen Anlage, bis heute in der Forschung diskutiert, scheint unter Umständen so ausgeklügelt gewesen zu sein, dass am 23. September, dem Geburtstag des noch als Oktavian geborenen Augustus, der erst als Kaiser den Ehrennamen des „Erhabenen“ erhielt, der Schatten im Verlauf dieses Tages exakt zur Mitte der Sichtachse des Friedensaltars wanderte und so einen direkten Bezug zwischen dem propagierten goldenen, vom Frieden geprägten Zeitalter und seinem dafür verantwortlichen Princeps herstellte.

Die antike Anlage auf dem Marsfeld, mit ihrem zentralen Element des den Lauf der Zeit angebenden Obelisken, der eigens zu diesem Zweck aus Heliopolis verfrachtet wurde, lässt sich symbolisch als ein einzigartiges Siegesmonument des über Ägypten und den Rivalen Marc Antonius triumphierenden Augustus deuten: eben eine Uhr als Statussymbol.