Neuer Weltrekord in Kurzzeit-Messung
Schematische Darstellung der Zeptosekunden Messung. Das Photon (gelb, von links kommend) erzeugt aus der Elektronenwolke (grau) des Wasserstoffmoleküls (rot: Atomkerne) heraus Elektronenwellen, die interferieren (Interferenzmuster: violett-weiß). Das Interferenzmuster ist ein wenig nach rechts verzerrt, woraus sich ausrechnen lässt, wie lange das Photon von einem Atom zum anderen benötigt hat. | © Bild: Sven Grundmann, Goethe-Universität Frankfurt

Neuer Weltrekord in Kurzzeit-Messung

22. Oktober 2020 | von Goethe-Universität Frankfurt / Thorsten Naeser

Atomphysiker um Prof. Reinhard Dörner von der Goethe-Universität haben erstmals vermessen, wie lange es dauert, bis ein Lichtteilchen ein Wasserstoffmolekül durchquert hat. Die Reise dauerte etwa 247 Zeptosekunden. Eine Zeptosekunde ist ein Billionstel einer Milliardstel Sekunde (10-21 Sekunden). Dies ist die kürzeste Zeitspanne, die bisher gemessen werden konnte. Die Zeitmessung nahmen die Wissenschaftler an Wasserstoff-Molekülen vor, die sie mit Röntgenlicht der Röntgenstrahlungsquelle PETRA III am Hamburger Beschleunigerzentrum DESY bestrahlten. Die Energie der Röntgenstrahlen stellten die Forscher so ein, dass ein Photon genügte, um beide Elektronen kurz hintereinander aus dem Wasserstoff-Molekül herauszuschlagen.

Elektronen verhalten sich gleichzeitig wie Teilchen und Wellen, und so entstanden beim Herausschlagen des ersten Elektrons kurz hintereinander erst bei dem einen und dann bei dem zweiten Atom des Wasserstoffmoleküle Elektronenwellen, die sich überlagerten. Dabei wirkte das Photon wie ein flacher Kieselstein, den man zweimal über das Wasser hüpfen lässt: Die Wellen der ersten und zweiten Wasserberührung löschen sich gegenseitig aus, wo ein Wellental auf einen Wellenberg trifft: Es entsteht ein sogenanntes Interferenzmuster. Das Interferenzmuster des ersten herausgeschlagenen Elektrons vermaßen die Wissenschaftler mit dem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop, das Dörner mitentwickelt hat und das ultraschnelle Reaktionsprozesse von Atomen und Molekülen sichtbar macht. Gleichzeitig mit dem Interferenzmuster konnte mit dem COLTRIMS-Reaktionsmikroskop bestimmt werden, in welcher Orientierung sich das Wasserstoff-Molekül befunden hatte. Hier machten es sich die Forscher zunutze, dass das zweite Elektron ebenfalls das Wasserstoffmolekül verließ und so die verbliebenen Wasserstoffkerne auseinanderflogen und detektiert werden konnten.

„Da wir die räumliche Orientierung des Wasserstoffmoleküls kannten, konnten wir aus der Interferenz der beiden Elektronenwellen sehr genau errechnen, wann das Photon das erste und wann es das zweite Wasserstoffatom erreicht hatte“, erklärt Sven Grundmann, Doktorand im Team um Dörner. „Und das sind bis zu 247 Zeptosekunden, je nachdem, wie weit die beiden Atome im Molekül gerade aus Sicht des Lichts voneinander entfernt waren.“

Reinhard Dörner erläutert: „Was wir jetzt erstmals beobachten konnten ist, dass die Elektronenhülle in einem Molekül nicht überall gleichzeitig auf Licht reagiert. Die Zeitverzögerung kommt dadurch zustande, dass sich die Information im Molekül eben nur mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet.“

 

Originalpublikation:

Sven Grundmann, Daniel Trabert, Kilian Fehre, Nico Strenger, Andreas Pier, Leon Kaiser, Max Kircher, Miriam Weller, Sebastian Eckart, Lothar Ph. H. Schmidt, Florian Trinter, Till Jahnke, Markus S. Schöffler, Reinhard Dörner:

Zeptosecond Birth Time Delay in Molecular Photoionization.

Science science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.abb9318