Die Sterne als Wegweiser
er Orientierungssinn eines winzigen Mistkäfers ist Vorbild für eine neue Software zur Navigation, die sich nach dem Licht der Milchstraße richtet.
Milliarden von Sternen formen die Milchstraße am klaren Nachthimmel. Dieses Naturschauspiel nützt ein kleiner Mistkäfer mit Namen Scarabaeus satyrus zur Orientierung bei Dunkelheit. Über 130 Millionen Jahre hat er dieses System perfektioniert. In der Nacht bewegen Mistkäfer ihren Kopf und Körper ausgiebig, wenn sie Mistkugeln über ein Feld rollen Dazu benötigen sie einen festen Orientierungspunkt am Nachthimmel, der ihnen hilft, in einer geraden Linie zu steuern. Ihre winzigen Facettenaugen machen es schwierig, einzelne Sterne zu erkennen, besonders, wenn sie in Bewegung sind, während die Milchstraße gut sichtbar ist. Der Mistkäfer ist die erste bekannte Spezies, die nachts die Milchstraße zur Navigation nutzt und sich an der Sternenkonstellation orientiert, um Mistkugeln in einer geraden Linie weg von ihren Konkurrenten zu rollen.
Den Orientierungssinn von Scarabaeus satyrus haben jetzt Forscher um Prof. Javaan Chahl von der University of South Australia studiert. Daraus haben die Fernerkundungsingenieure ein Computer-Vision-System entwickelt, das die Ausrichtung der Milchstraße zuverlässig misst und nun zur Entwicklung eines Navigationssystems dient. Die Ingenieure wiesen nach, dass der große Lichtstreifen, der die Milchstraße bildet, im Gegensatz zu einzelnen Sternen nicht durch Bewegungsunschärfe beeinträchtigt wird.
Dazu haben die Forscher mit einer auf dem Dach eines Fahrzeugs montierten Kamera Bilder der Milchstraße aufgenommen, während das Fahrzeug sowohl stand als auch sich bewegte. Anhand der Informationen aus diesen Bildern haben sie ein Computer-Visions-System entwickelt, das die Ausrichtung der Milchstraße zuverlässig misst, was der erste Schritt zum Aufbau eines Navigationssystems ist.
Im nächsten Schritt wollen die Forscher den Algorithmus in einen Orientierungssensor einspielen und in eine Drohne einbauen, damit er das Fluggerät während der Nacht steuert. „Ein solcher Orientierungssensor könnte etwa eine Backup-Methode zur Stabilisierung von Satelliten sein“, sagt Yiting Tao, Hauptautor der Studie. „Er könnte ebenso Drohnen und Robotern helfen, bei schwachem Licht zu navigieren, selbst dann, wenn es viele Unschärfen durch Bewegung und Vibration gibt.“
Das Sehvermögen von Insekten inspiriert uns Ingenieure schon lange, vor allem, wenn es um Navigationssysteme geht“, sagt Javaan Chahl. „Insekten lösen seit Millionen von Jahren Navigationsprobleme, auch solche, mit denen selbst die fortschrittlichsten Maschinen ihre Schwierigkeiten haben. Und sie haben es in einem winzig kleinen Paket geschafft. Ihre Gehirne bestehen aus Zehntausenden von Neuronen im Vergleich zu Milliarden von Neuronen beim Menschen, und dennoch gelingt es ihnen, die besten Lösungen zu finden.“
Originalpublikation:
Tao, Y. et al.
Computer Vision Techniques Demonstrate Robust Orientation Measurement of the Milky Way Despite Image Motion
Biomimetics 2024, 9, 375
doi.org/10.3390/biomimetics9070375