„Ich möchte die Natur besser verstehen“
Julia Anthea Geßner ist eine der wenigen Doktorandinnen im Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik.

„Ich möchte die Natur besser verstehen“

24. Mai 2019 | von Steffi Bucher

Julia Anthea Geßner ist eine der wenigen Doktorandinnen im Labor für Attosekundenphysik am Max-Planck-Institut für Quantenoptik.

Julia Anthea Geßner ist Ultrakurzzeitphysikerin. Im Labor für Attosekundenphysik (LAP) am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) erforscht sie die Wechselwirkung von Licht und Materie. Aufgewachsen ist sie in einem deutsch-italienischen Haushalt in der Nähe von Lecce in Apulien. Nach ihrem Physik-Bachelor in Mailand und einem Masterabschluss in Berlin hat sie sich entschieden nach München zu ziehen und ihre Masterarbeit und Promotion am MPQ zu machen. „Ausschlaggebend für mich waren die Lebensqualität in München und die Qualität der Forschung am MPQ“, erklärt die zielstrebige 26-Jährige. Ursprünglich interessierte sie sich für ein Philosophiestudium, hat sich dann aber, wegen der besseren Jobaussichten, für Physik entschieden. Aber das waren nicht die einzigen Gründe. „Ich will die Natur kennenlernen und sie besser verstehen“, sagt die Doktorandin. Rückblickend betrachtet Julia diese Motivation, Zeit aufwenden zu wollen, um Dinge zu verstehen und Neues zu lernen, als den Schlüssel für ein erfolgreiches Physikstudium. „Ein bisschen Grundintelligenz schadet sicher auch nicht“, meint sie verschmitzt. Dabei lief es in der Schule eher in Fächern wie Englisch und Latein von alleine. Mathe und Physik haben sie damals nicht immer interessiert. „Manchmal empfand ich das Physikstudium als frustrierend. Gerade für die Mathe-Prüfungen im Bachelor musste ich viel lernen und hätte mir zwischendurch auch das ein oder andere Mal gewünscht, ein einfacheres Fach gewählt zu haben“, erinnert sie sich. Aber dann überwog doch die Motivation und sie stellte fest, dass das Grundlagenlernen Sinn macht. Mehr Spaß hatte Julia dann trotzdem beim anwendungsorientierten Master.

In München gefällt es der Deutsch-Italienerin. Sie plant nach der Doktorarbeit noch eine Weile als PostDoc in der Wissenschaft zu bleiben, bevor sie in einem Unternehmen weiterforschen möchte. Vermutlich wird sie die eine oder andere Station wieder in eine andere Stadt führen. Eine Karriere in der Wissenschaft ist ihr zu unsicher und Lehre kann sie sich nicht vorstellen. „Dafür habe ich keine Geduld“, meint sie. Von München aus ist sie schnell in Italien und die Strecke bis Bozen auch schon mal mit dem Fahrrad gefahren. Zum Trainieren. Schon fünf Mal hat Julia an der l’Eroica teilgenommen, einem Radrennen in der Toskana für Vintage-Rennräder. Wegen der bergigen Straßenführung und dem für die Gegend typischen weißen Schotterbelag ist das eine besondere Herausforderung, für die Fahrerin und Rennrad besonders vorbereitet sein müssen. Julia war bestens gerüstet und hat die 209 Kilometer ohne platten Reifen überstanden. Daneben läuft sie Halbmarathon.

Die sportliche junge Frau interessiert sich zudem fürs Kochen – als Halbitalienerin für sie selbstverständlich – und für Mode. Romane liest sie gerne und Bücher über Philosophie. Ihre Interessen entsprechen weder einem Frauen- noch einem Männerklischee. Schon als Kind hat sie sowohl mit Barbies als auch mit Autos gespielt, wie so viele Kinder, denen beide Optionen geboten werden.

Im Physikstudium ist der Frauenanteil immer noch niedrig. „Subjektiv geschätzt waren es während des Bachelorstudiums in Italien 20-30 % und zum anwendungsorientierten Master in Berlin nur noch 10 %“, resümiert sie. In der Theoretischen Physik waren es ein paar mehr Frauen. Ihre Freunde haben Julias Entscheidung, Physik zu studieren positiv aufgenommen. Oft kam der Kommentar „mutig“ und gemeint war sowohl die inhaltliche Herausforderung als auch der gewisse Sonderstatus als eine von wenigen Frauen. „Blöde Sprüche oder doofe Kommentare von den Kommilitonen habe ich nie zu hören bekommen“, erinnert sie sich. Aber gerade am Anfang in neuen Lerngruppen hatte sie das Gefühl, dass ihre Beiträge weniger beachtet werden als die der männlichen Studierenden. Selbstbewusst hat sie das aber nicht gestört. Schließlich entging ihrer Meinung nach den Männern dabei oft ein wichtiger Beitrag. Ganz selten hatte sie das Gefühl, besser sein zu müssen für ein gleichwertiges Feedback als die männlichen Kollegen – in ihrer Erfahrung waren gerade Professorinnen gegenüber den Studentinnen strenger als zu den Studenten. Es scheint, als habe sie sich nur kurz geärgert und dann wieder nach vorne geschaut.

Obwohl man mittlerweile weiß, dass gemischte Teams von breiteren Problemlösungsansätzen profitieren, sind die in der Physik noch eine Seltenheit. Womöglich fehlen die weiblichen Rollenvorbilder. „Ich würde mich freuen, wenn schon die Lehrkräfte in der Schule weniger in Rollenklischees denken und auch die Mädchen für Naturwissenschaften motivieren würden“, meint Julia.

Daran forscht Julia im Labor für Attosekundenphysik:

Julia Anthea Geßner, 26, promoviert im ersten Jahr im LAP Team. Sie beschäftigt sich mit Licht-Materie-Wechselwirkung und möchte herausfinden, wie sich die Elektronendynamik von Halbleitern, Dielektrika oder Metallen ändert, wenn sie mit sehr kurzen Lichtpulsen im Attosekundenbereich interagieren. Dazu untersucht sie, was mit den Elektronen in den Materialien passiert, wenn die Teilchen Licht aufgenommen haben.